Venedig und
Franz Schubert
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Der österreichische Dichter Joseph Kreil (1770-1855), der dem Freundeskreis um Franz Schubert angehörte, besuchte 1815/16, unterbrochen durch eine viermonatige Reise durch die Lombardei, Venedig und schrieb, was man als Mischung aus Briefen und Reisebericht einordnen könnte. Plastisch schildert er, was er sah, was ihn begeisterte und was ihm an (Kunst-)Historischem dazu einfiel.
Leitmotivisch beklagt er, was schon zu seiner Zeit in der an Verfall und Armut leidenden ehemaligen Republik verloren zu gehen oder der leichtsinnigen Vernichtung ausgeliefert zu werden drohte. Für uns heutige Hörer der Lesung von Udo Samel ist ein weiterer Verlust verblüffend: Kreil bedient sich einer literarischen Sprache, die sich wohltuend vom Jargon aktueller Reiseliteratur unterscheidet. Dabei ist seine Ausdrucksweise alles eher als affektiert oder schwer zugänglich. Aber man atmet durch, wenn dafür mehr Wörter zur Verfügung stehen als „wow“, „geil“ oder „super“. Denn Kreils Sprache ist ihrem Gegenstand angemessen. Dass dem Kunstfernen nicht alle Namen geläufig sind, verdankt sich nicht zuletzt einem Schulunterricht, der Universalbildung für Luxus hält. Die Erklärung der Fremdwörter und der lateinischen Zitate kann man im umfangreichen Beiheft nachlesen.
Eingebettet in die Städtebilder ist die Erzählung vom mysteriösen armenischen Mönch, die den Charakter einer Novelle hat und sich zu einem Memento mori auswächst.
Man kann wohl kaum über Venedig und seine Kunst schreiben, ohne sich auf religiöse Motive einzulassen, aber Kreil vermeidet jede bigotte Anbiederung an die Kirche. Seine Werte heißen Schönheit, Wahrheit und Tugend.
Musik wird nur sehr sparsam beigegeben. Davon könnte man mehr vertragen. Zumal, wenn von Franz Schubert die Rede ist. Und Udo Samel? Dass er einer der ganz großen Schauspieler unserer Zeit ist, bedeutet keine Entdeckung. Seine Lesung bleibt am Boden. Keine Betonung zu viel, kein Hauch von Selbstdarstellung. Da hört man gerne zu. Und das immerhin rund zweieinhalb Stunden.
Thomas Rothschild – 4. Februar 2025 ID 15130
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