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Spielräume höherer Sphären eines visuellen Kosmos: Formen geraten auf der Leinwand in Bewegung, oszillieren, Gegensätze vereinigen sich.

Hilma af Klint (1862-1944), eine Vorreiterin der abstrakten Kunst, wird gerade in bemerkenswerten Ausstellungen wiederentdeckt. Bis August zeigte so die Kunstsammlung NRW unter dem Titel Träume von der Zukunft bedeutende Malereien, Zeichnungen und Dokumente der visionären Künstlerin. In der Düsseldorfer Ausstellung wurde ihr Oeuvre Werken des zeitgleich kunstschaffenden und etablierteren russischen Malers Wassily Kandinsky gegenübergestellt. Am 21. Oktober 2024 ist der achtzigsten Todestag der schwedischen Ausnahmekünstlerin.

In Stockholm wurde af Klint als Studentin der Königlichen Akademie der freien Künste in der naturalistischen Malerei ausgebildet, später schuf sie jedoch Arbeiten jenseits akademischer Grenzen, die keinem bekannten Stil folgten. Die Malerin interessierte sich zeitlebens für die spirituell-geistige Welt unabhängig vom Sichtbaren. Dies bezeugen zwölf abstrakte und experimentelle Werke, die im vorliegenden Wandkalender Hilma af Klint 2025 auf 48 x 64cm großformatig abgedruckt sind.

Bis in die späten 1980er Jahre blieb Hilma af Klint von der Kunstgeschichte weitgehend unbeachtet. Heute begeistern Kunstinteressierte ihre monumentalen Formate, die organischen Formen und eine Intensität bemerkenswerter Farbkombinationen. Die Schwedin widmete sich dem Imaginären und Irrationalen, bisher ungesehenen Aspekten und Dimensionen von Natur und Wirklichkeit. Visionäre Bildserien tragen Titel wie „Atome“ oder „Evolution“, wie das Februarbild im Kalender Die Evolution, Nr. 9 Gruppe VI. Abstrakte Bildelemente ähneln teilweise elektromagnetischen Wellen oder Strahlen. Als wiederkehrende Motive enthalten ihre Werke Lotusblumen oder Ornamente und christliche Metaphern mit Kreuz- und Kreuzigungsszenen. Auch die zwölf im Kalender abgedruckten Werke lassen sich als Visualisierung komplexer Zusammenhänge deuten.

Das Januar-Motiv Primodival Chaos, no. 16 zeigt ein spiralförmiges Ornament, bei af Klint ein wiederkehrendes Symbol für die kosmische Harmonie und Geometrie. Aus dem Zentrum heraus entwickelt sich eine Spirale erst nach außen und dann wieder in ein Zentrum hinein.

Eine Überwindung von Dualität, geistige Transformationen oder ein spiritueller Kosmos werden in den Bildern Der Schwan, No. 23, Der Schwan, Nr. 12, Der Schwan, Nr. 18 oder Schwan Nr. 7 erahnbar, im März, Mai, Juli respektive November abgedruckt. In af Klints Schwan-Serie geht es um eine Vereinigung von Geist und Materie. Unterschiedliche Rollen, Paar-Konstellationen und Beziehungsdynamiken werden hier durchgespielt, wobei die Bilder der Serie immer abstrakter werden. Die Künstlerin nutzt die Symbolik von Vögeln, die sich im Himmel, im Meer oder an Land bewegen, um Verbindungen und Dualitäten, etwa zwischen Himmel und Erde, aufscheinen zu lassen.

Auch das Dezembermotiv The Dove No 13 erinnert nur in abstrakter Form an die Taube, nämlich durch eine Kugel, die für Vollkommenheit steht, als ganzheitliche Botin des Göttlichen und als Sinnbild des Friedens.

Dynamische geometrische Formen kombinieren sich in den Bildern The Ten Largest No. 5 – Adulthood, The Ten Largest, No. 7., Adulthood, Group IV, aber auch The Dove No 13 mit organischen Symbolen und arabeskenhaften Buchstaben; der Reihe der Aufzählung gemäß in den Monaten April, August und Dezember abgedruckt. Der Serie „Die zehn Größten“ von 1907 bezeichnet zehn drei Meter hohe Gemälde, die als eigentliches Hauptwerk der Künstlerin gelten. In gleichmäßig aufgetragenen Temperafarben malte die Künstlerin auf Leinwände in weichen, kreisenden und floralen Formen eine Art Lebenszyklus von der Jugend bis ins höhere Alter. Kraftvolle Farbauftragungen, etwa von Pink und Orange, lassen an die Pop Art denken.

Höhepunkt des Kalenders ist vielleicht im September das Altarbild, Nr. 1, Gruppe X von 1915, ein Teil ihrer drei großformatigen Altarbilder. Hier möchte die Künstlerin den Weg aus der Materie in die Ganzheit des Geistes bebildern. Das im Original 3,5 Meter hohe Gemälde zeigt im unteren Bildbereich ein gestuftes Dreieck mit der Spitze nach oben. 16 Stufen mit unterschiedlichen Farbverläufen wölben sich hier als Einheit nach oben. Die goldene Kugel im oberen Bildbereich steht für Ganzheitlichkeit und das ewige Leben. Sowohl den Farben als auch den Formen wohnt eine bedeutungsvolle Symbolkraft inne. Ein Kalender, in dem sich bemerkenswerte Ausschnitte aus dem reichhaltigen Oeuvre der Künstlerin entdecken lassen.


Ansgar Skoda - 21. Oktober 2024
ID 14975
Korsch-Link zum Hilma af Klint-Kalender


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