Nicht nur kurz
die Welt retten
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„Kleine Randbemerkung in eigener Sache: Man sollte, nein, man muss unbedingt die bemannte Raumfahrt weiterbetreiben, und zwar in noch größerem Ausmaß als bisher. Warum ist das so wichtig? Wegen der Gefahr eines Asteroiden-Einschlags. Ein kilometergroßer, kosmischer Brocken würde der Menschheit ein abruptes Ende bescheren. Extrapolieren wir ganz einfach von der Vergangenheit in die Zukunft. Es ist nicht die Frage, ob es passiert, sondern nur noch wann – und dann sollten wir vorbereitet sein. Es ist von existentiellem Vorteil, unsere Aktivitätszone weiter ins Weltall hinauszuschieben, damit wir kosmische Eindringlinge früh genug identifizieren und bekämpfen können.“ (Harald Lesch u. Klaus Kamphausen, Die Menschheit schafft sich ab, S. 46)
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Unsere Erde besteht schon ganze 4,543 Milliarden Jahre, doch wird sie uns dauerhaft erhalten bleiben? Unsere auch Blauer Planet oder Felsenplanet genannte Weltkugel beherbergt als besonderes Kennzeichen Leben, nur wie lange noch? Neben der Ausbeutung der Bodenschätze und der Überbevölkerung geben nicht nur die Klimaveränderung und Wasserverschmutzung Anlass zur Sorge. In den letzten 2.000 Jahren hinterließ das Menschenzeitalter (Anthropozän) auf unserem Planeten mit der Entwicklung von Wissenschaft und Technik bleibende Spuren. Die Menschheit griff in die Natur ein, was in vieler Hinsicht in einen zerstörerischen Kreislauf und eine Krise der Zivilisation mündete.
In ihrer mahnenden Bestandsaufnahme Die Menschheit schafft sich ab (2016; März 2018 bei Knaur als preiswerteres Taschenbuch wiederveröffentlicht) skizzieren der Astrophysiker und Fernsehmoderator Harald Lesch und Klaus Kamphausen unterhaltsam die Geschichte der Universums, der Erde, der Arten und des Menschen. Dann zeichnen sie eine besorgniserregende Entwicklung nach und warnen unter anderem vor dem Verbrennen von Braunkohle und Erdöl, dem Artensterben und der Wohlstands-Verschwendungssucht: „Wir Menschen sind in diesem Sinne ein sozialer Impaktor mit hohem Zerstörungspotential.“ (S. 90)
Lesch und Kamphausen berichten, dass der Mensch mit Fluorchlorkohlenwasserstoff (kurz FCKW) als Kühlmittel Moleküle erfand, die die Ozonschicht zerstören, was jedoch erst nach Jahrzehnten offenbar wurde. Nicht nur hinsichtlich der Verletzbarkeit der Biosphäre regt die Erkenntnisdichte des kompakten Sachbuches zum Nachdenken an. Vielfach wird deutlich, dass wir grundsätzlich in Abhängigkeit zu unserer (gefährdeten) Umwelt leben: „Veränderungen der Umweltbedingungen führen automatisch zu Veränderungen der Lebewesen.“ (S. 104)
Der Leser wird oft direkt angesprochen, etwa mit „Warum erzähle ich das so ausführlich?“ (S. 96) oder „- ups, jetzt hab ich mich verplappert -“ (S. 97). Der kumpelhafte Plauderton des Sachbuchs verleitet einen trotz regelmäßig eingebauter Fremdwörter zum steten Weiterlesen. Manchmal wirkt das Plauderhafte jedoch auch ein bisschen albern, läppisch und herablassend, etwa wenn die Autoren auf Seite 88 meinen, das Massenaussterben durch einen Asteroideneinschlag durch einen vermenschlichenden Tagesablauf einer „Saurierfamilie“ veranschaulichen zu müssen.
Die Menschheit schafft sich ab wird bereichert durch zahlreiche farbige Info-Kästen, interessante Grafiken, Fotos, Datenauflistungen und mögliche Zukunftsszenarien. Einige Schautafeln, wie etwa auf Seite 94, sind nur schwer verständlich, da eine Zuordnung nicht gut erkennbar ist. Am Ende führen die Autoren Gespräche mit Experten zu Themenbereichen wie Energie, Mobilität und Künstliche Intelligenz. Lesch spricht etwa mit Prof. Mojib Latif vom Kieler GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung über die Überlegenheit erneuerbarer Energien, die langsame Geschwindigkeit des Klimawandels und die Schwierigkeit, einen Bewusstseinswandel in der Weltbevölkerung zu schaffen. Kamphausen tauscht sich mit der Juristin und Essayistin Yvonne Hofstetter über Big Data und künstliche Intelligenz aus. Weitere illustre Gesprächspartner sind unter anderem Prof. Ernst Ulrich von Weizsäcker. Gegen Ende des Bandes stellen sich noch namhafte Umweltschutzorganisationen wie der gemeinnützige Verein Germanwatch e.V., Greenpeace oder der WWF vor. Ein Gastbeitrag des Physikers Prof. Ernst-Peter Fischer widmet sich abschließend der Unbelehrbarkeit des Menschen, Wachstum als einem grundsätzlich auch gefährlichem Ziel und Lernmodulen für die Nachhaltigkeit. Insgesamt bietet das 520 Seiten starke Werk eine Fülle an Material, ethische Grundsatzfragen neu zu durchdenken. Die Menschheit schafft sich ab regt insbesondere auch dazu an, das eigene Umweltbewusstsein zu schulen und weiterzutragen.
Ansgar Skoda - 6. Juli 2018 ID 10791
Link zum Buch:
https://www.komplett-media.de/de_die-menschheit-schafft-sich-ab-die-erde-im-griff-des-anthropoz%C3%A4n_112637.html
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