Tolstois
gigantomanisches
Lebensbuch
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Bewertung:
Wer seine Bücher gern im Bett liest oder bequem zurückgelehnt in einem Schaukelstuhl, muss hier resignieren. Das großformatige 760 Seiten dicke Buch, das jetzt in vierter Auflage erneut angeboten wird, wiegt mehr als drei Kilogramm. Von der Anlage her mag es den deutschen Leser am ehesten an Johann Peter Hebels Rheinländischen Hausfreund erinnern, freilich mit der Einschränkung, dass zwischen den beiden Werken ein Jahrhundert liegt. Lew Tolstoi hat, wie der Titel Für alle Tage verrät, in seinem „Lebensbuch“ Texte in kalendarischer Reihung zu einer Chrestomathie zusammengestellt, die Kenntnisse vermitteln, unterhalten, vor allem aber im Sinne des Autors erziehen sollen. Dieser didaktisch-philosophische Ansatz wird auch zu unterschiedlichen Reaktionen führen. Wer Tolstois recht eigenwilliger Weltanschauung und seiner spezifischen Religiosität zustimmt, wird dieses melagomanische Resultat aus Lesefleiß und Missionarismus für eine der ganz großen herausgeberischen Leistungen der Weltliteratur halten. Wer Tolstoi als Denker eher skeptisch beurteilt, wird sich wohl eher auf die Lektüre seiner Romane zurückziehen.
Immerhin kann man in dem Wälzer auch literarische Entdeckungen machen, die zum Weiterlesen – im Bett oder im Lehnstuhl – verführen mögen. Und einzelne Aphorismen und Sentenzen sind bis heute bedenkenswert, dürfen auch zum Widerspruch reizen. Etwa dies: „Der Mensch hat immer einen Ort, wo er Zuflucht vor allen Nöten findet. Dieser Ort ist seine Seele.“ In der gegenwärtigen Migrationsdebatte wird uns derlei kaum weiterhelfen.
Thomas Rothschild – 15. Juli 2018 ID 10803
Link zum Buch:
https://www.chbeck.de/tolstoi-tage/product/28552
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