Aus Jandls Schule
Nachruf auf Gerhard Jaschke (1949-2025)
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Gerhard Jaschke, Wien 2013 | Foto (C) Wolfgang H. Wögerer; Bildquelle: Wikipedia
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Österreich überrascht, im Guten wie im Schlechten, den Rest der Welt immer wieder mit außergewöhnlichen Originalen. Eben erst scheuchte es Demokraten mit der Perspektive auf, dass ein Schmalspurpolitiker mit einer Weltanschauung, die man für ausgestorben gewähnt hatte, der nächste Bundeskanzler werden könnte.
Auf der anderen Seite erreicht uns fast gleichzeitig die Meldung vom Tod des Dichters Gerhard Jaschke. Jaschke steht in der literarischen Tradition von Ernst Jandl. Zugleich war er über Jahre hinweg Herausgeber der Zeitschrift Freibord, deren Erscheinen er wegen einer schweren Erkrankung zehn Jahre hinweg unterbrechen musste. Kennzeichnend war seit der Gründung im Jahr 1976 die Öffnung zu Künsten jenseits der Literatur im engen Verständnis und für die radikale Avantgarde.
Literarisch gebildeter als viele seiner Kollegen, aber mit einer dezidierten Neigung für nicht-narrative Literatur, also für jene Richtung, die man einst „konkrete“ oder auch „visuelle Poesie“ nannte, sorgte Jaschke nicht allein mit der Zeitschrift Freibord, sondern auch mit Vorlesungen an der Wiener Akademie der bildenden Künste und als einer der beiden Geschäftsführer der Grazer Autorinnen Autorenversammlung für deren öffentliche Wahrnehmung. Für Gerhard Jaschke sind in seinem eigenen Werk Buchstaben, Laute und Wörter Material, dessen in ihrer Anzahl eng begrenzte Elemente er in Anagrammen und Permutationen anordnet und kombiniert. Auch Haikus gehören zu den von Jaschke favorisierten Formen, und gelegentlich klaffen hinter einer scheinbar gemütlichen Sprache Abgründe auf.
Zu den Mitarbeiter*innen von Freibord gehörten und gehören unter anderem Hermann Schürrer, Ingrid Wald, Hermann Nitsch, Günter Brus, Erwin Puls, Tone Fink, Anselm Glück, Bodo Hell, Ilse Kilic, Gerhard Rühm, Heinz Gappmayr, Friederike Mayröcker, Andreas Okopenko, Elfriede Gerstl, Heidi Pataki, Helmut Eisendle, Liesl Ujvary, Werner Herbst, Marc Adrian, Joe Berger, Werner Kofler, Reinhard Prießnitz, Franz Josef Czernin, Ferdinand Schmatz. Man nenne einen Verlag, der sich solch einer Liste rühmen kann.
Am 10. Januar ist Gerhard Jaschke von uns gegangen. Kickl ist geblieben. Die Welt ist nicht gerecht.
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Thomas Rothschild – 11. Januar 2025 ID 15097
https://de.wikipedia.org/wiki/Gerhard_Jaschke
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