Eine Perle
aus
Russland
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Bewertung:
Der Straßenhund Stolzi ist der Held dieser melancholischen Parabel von Konstantin Sergienko über herrenlose Hunde in einer russischen Großstadt. Die Schlucht der freien Hunde handelt von den Nöten und Glücksmomenten von frei lebenden Vierbeinern in einer Schlucht, die es in Moskau tatsächlich gibt. Michael Blechmann hat den Talgrund und seine Bewohner liebevoll illustriert.
Stolzi ist ein zurückhaltender Individualist und hat sich dem Rudel nicht richtig angeschlossen, denn Rudelführer Blacky ist immer noch sehr verbittert, seit ihn sein Mensch ausgesetzt hat. Seitdem hasst der die ganze Menschheit. Dackeldame Dacki trauert trotz allem ihrem Menschen nach und der guten Zeit, die sie in der Datscha erlebt hat. Aber das ist lange her, heute zeugt nur noch die verblichene Schleife im Haar von ihrer wunderbaren Vergangenheit. Hinki hat viel durchgemacht, darf heute aber das Alpha-Tier Blacky bei seiner Inspektion der Schlucht begleiten, obwohl Blacky eigentlich lieber Stolzi als rechte Pfote im Rudel hätte. Doch Stolzi geht seine eigenen Wege und hat sich sogar mit dem Kater Yamomoto angefreundet, einem verwöhnten Hauskater, der behauptet, der Kaiser von Japan zu sein. Aber Stolzi findet ihn klüger als Hunde, obwohl das Rudel über Smarty verfügt, einen Hund mit Hut, der sogar lesen kann. Dann gibt es noch den kleinen Krümel, der ständig vergnügt tut und der Liebling der Schulkinder ist, die ihn schon mal streicheln.
Bis auf Blacky träumen die Hunde davon, eines Tages von einem Menschen mit nach Hause genommen zu werden. Auch Stolzi. Als er einmal eine verletzte Pfote hatte, nahm ein Mensch aus der Nachbarschaft ihn mit in seine Wohnung und versorgte ihn. Nach einem Stückchen Wurst und einer Runde Schlaf schickte er ihn wieder auf die Straße, denn Stolzis Mensch ist ein Künstler und könnte sich einen Hund auf Dauer nicht leisten. Stolzi ist da sehr sensibel und geht die Beziehung langsam an. Er genießt die Momente der kurzen Begegnungen auf der Straße mit seinem Menschen, und eines Tages kann er ihn sogar gegen zwei Rüpel verteidigen, die ihn belästigen und die er tapfer in die Flucht bellt.
Der Winter naht, der in Russland besonders kalt ist, das Schicksal schlägt zu und über allem schwebt die Angst vor den Tierfängern der Abdeckerei...
Das Buch erschien 2016 im Artem Verlag, der von Artem Sergienko, dem Sohn des Schriftstellers, eigens gegründet wurde, um die Bücher seines verstorbenen Vaters Konstantin auch in Deutschland bekannt zu machen. Konstantin Sergienko (1940-1996) ist in Russland ein Bestsellerautor und heute noch berühmt. Die Schlucht der freien Hunde wurde 1979 erstmalig veröffentlicht, und das Problem der Straßenhunde hat sich seitdem nicht gebessert. Artem Sergienko hat deshalb einen Online-Shop eingerichtet, mit Postkarten, Blocks und und einer Einkaufstasche. Mit dem Erlös unterstützt er diverse Tierschutzprojekte.
Als das Buch 1979 erschien, war die Sowjetunion gerade in den Krieg in Afghanistan eingetreten. Jeder Krieg bedeutet für die Bevölkerung einen Einschnitt der persönlichen Freiheit, nur dass man als Schriftsteller Regimekritik, wenn überhaupt, nur in verschlüsselter Form darstellen kann, und so schrieb Sergienko einige Jugendbücher. Die wilde Schlucht, die immer weiter zugeschüttet und bebaut wird, ist ein Gleichnis für die Einengung der Selbstbestimmung und Freiheit. Blacky ist ein kompromissloser Widerstandskämpfer, für den ein Leben mit Halsband nicht in Frage kommt. Smarty, der Intellektuelle, erkennt die Dinge zwar, tut aber nichts. Dackeldame Dacki, eine alternde Diva, repräsentiert die Wehmut und die Sehnsucht nach einer besseren Zeit. Die Tierfänger und die Abdeckerei verkörpern die Gefahren, die Regimegegner eingehen. Im Vordergrund stehen aber die Freiheit, die Solidarität, die Selbstbestimmung, die Sehnsucht nach Zugehörigkeit und das Fressen. All das bekommt man übrigens, wenn man die Hundepforte findet, und vielleicht auch wenn man, wie in den berührendsten Momenten im Buch, den Mond besingt.
Neben Pappherz ist auch Sergienkos Kees, der Tulpenadmiral bereits in deutscher Sprache erschienen. Es ist schön, dass uns solche wunderbaren Perlen der russischen Literatur zugänglich gemacht werden.
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Helga Fitzner - 2. Mai 2017 ID 10003
Konstantin Sergienko | Die Schlucht der freien Hunde
Illustriert von Michael Blechmann
12,90 EUR
Artem Verlag, 2016
ISBN 978-3-943974-02-7
ISBN: 978-3-943974-03-4 (Ebook)
Weitere Infos siehe auch: http://www.artem-verlag.de/kinderbuecher/die-schlucht-der-freien-hunde
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