Von der
Unsichtbarkeit
des Sohnes
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Bewertung:
Charly ist ein dubioser Erzähler. Bei aller Liebe zu seiner plötzlich verstorbenen Mutter, deren Bild er per Photoshop und mit viel Sinn fürs Detail retten will: Er ist und bleibt von Anfang an ein zweifelhafter Gewährsmann. Nach dem plötzlichen Tod der Mutter träumt er sich zurück in seine dörfliche Kindheit in einer Aulandschaft nahe der Stadt Linz. Verzweifelt versucht er mit Hilfe seines Therapeuten, ein Bild seiner Mutter zu entwerfen. Doch den Geschichten, die sie ihm erzählte, mag er nicht trauen.
Denn ihre Episoden sind voller Unstimmigkeiten. Fest stehen nur sehr wenige Fakten. Doch je mehr er der toten Mutter nachforscht, desto verwirrender wird das Bild. Was der Sohn weiß, ist schnell gesagt: Hilda wird zwischen den Weltkriegen geboren, adoptiert von einem Korbbinder. Beim Reichsarbeitsdienst verliebt sie sich in einen jungen Architekten aus München. Mit ihm kommt die Sehnsucht nach der weiten Welt. Doch der Liebhaber verschwindet, und die Liebe bleibt eine lebenslange Illusion. Sie heiratet einen „gefühllosen Maurer“ und verbringt den Rest ihrer Zeit im verhassten Dorf. Ein Leben, das „das Eigentliche versäumt hat“.
Walter Kohl erzählt diese berührende Geschichte vom falschen Leben in einer einfachen Sprache und berührt doch die große Frage: Wie kann man ein Leben erzählen? Die Bandbreite der Gefühle, die der Autor in diesem Roman [Ein Bild von Hilda als toter Mensch] entstehen lässt, ist bemerkenswert. Ebenso die psychologische Vielschichtigkeit dieser poetischen Annäherung an eine Frau, die deshalb nicht zu fassen ist, weil sie dem Erzähler so nahe war, dass er sich in ihrer Existenz beinahe selbst verliert.
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Jo Balle - 2. Februar 2016 ID 9112
Walter Kohl | Ein Bild von Hilda als toter Mensch
182 S., geb. m. Schutzumschlag
19,90 Euro
Picus Verlag, 2016
ISBN 978-3-7117-2025-2
Weitere Infos siehe auch: http://www.picus.at
Post an Dr. Johannes Balle
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