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Essay

Unberufen –

Toi, toi, toi!


Reflexionen zum
"Internationalen Tag
des Glücks"



Es gibt viele Gedenk- und Aktionstage, an denen jedes Jahr – national oder international – an wichtige weltliche und religiöse Ereignisse erinnert wird. Teils sind sie ernster Natur, z.B. der Holocaust-Gedenktag oder der Welttag gegen Rassismus, teils informieren sie über spezielle Anliegen: am Tag des Hundes, am Tag des Kaffees oder am Tag des Kusses.

Am 20. März, gilt es, dem auf der 118. Plenarsitzung der UNO-General-versammlung ausgerufenen Internationalen Tag des Glücks zum Recht zu verhelfen – in dem »Bewusstsein, dass das Streben nach Glück ein grundlegendes menschliches Ziel ist«, wie es pompös in der Resolution 66/281 heißt.

Die Umsetzung ist deshalb heikel, weil der Glücksbegriff so vielschichtig ist. Er reicht vom momentanen Glücksgefühl bis zu anhaltender Glückseligkeit. Man kann sich ihm aus theologischer, neurobiologischer, philosophischer, medizinischer und sozioökonomischer Sicht nähern. 1979 prägte Jig-me Singye Wangchuck, der König von Bhutan, gar den Begriff des Bruttonationalglücks, womit er dem durch Geldflüsse bestimmten Bruttonationaleinkommen einen ganzheitlichen, humanistisch und psychologisch determinierten Bezugsrahmen entgegensetzte.

Die Herkunft des Wortes »Glück« ist dunkel, die Glücksvorstellungen sind verschieden. Gesichert ist einzig, dass Glück anfangs allgemein »Zufall, Schicksal oder Geschick« bedeutete. Das mittelhochdeutsche Gegensatzpaar guot gelücke und übel gelücke bewahrte – wie das englische good luck und bad luck – den neutralen Schicksalsbegriff, der später mit sælde und heil konkurrierte. »Glück ist Talent für das Schicksal« lautet eines jener Urteile über das Glück, von denen Karl F. W. Wanders Deutsches Sprichwörter-Lexikon (1867) 1025 Einträge enthält.

Seltsam sind auch manche vermeintlich hilfreiche Wünsche, die wir anderen zur Glückserringung mitgeben. So gilt z.B. der Daumen, den wir jemandem für das Gelingen eines Unternehmens drücken, als mit übernatürlichen Fähigkeiten begabter Glücksfinger.

Auch den bei Bühnenschauspielern beliebte »Hals- und Beinbruch«-Wunsch (in angelsächsischen Ländern schlicht: »Break a leg!«) deutete man als Aberglauben, wonach man Gutes herbeibeschwören könne, indem man Böses herbeiwünscht, bis Salcia Landmann die Glücksformel entzauberte. In Jiddisch – Abenteuer einer Sprache (1964) erklärte sie das verballhornte Missverständnis des hebräischen »hazlóche un bróche« (hazlachá = Glück und b’rachá = Segen).

Heinz Küppers betonte in Unberufen Toi-Toi-Toi: 99 uralte Regeln, das Glück zu mehren, dem Unglück zu wehren (1951), die Vorstellungen von Glück und Unglück hätten sich im Laufe der Jahrtausende gewandelt, doch der Aberglaube sei geblieben. Um böse Geister nicht neidisch zu machen, fügte man lobenden Äußerungen als Schutzhandlung ein »unberufen« hinzu – verstärkt durch dreimaliges Klopfen auf Holz und den Ruf »Toi-toi-toi!«, der lautmalerisch für das Ausspucken steht, da Speichel als unheilbannend galt. Das Ausspucken war also ursprünglich kein Ausdruck von Verachtung, sondern ein Abwehrzauber.

Im Jüdischen Lexikon (1928) zählte Bruno Kirschner das Wort »unberufen« zu den rein deutschen Wörtern, die, »da ursprünglich meist von Juden gebraucht, als spezielle Jüdelei galten«. Werner Weinberg schrieb im Lexi-kon zum religiösen Wortschatz und Brauchtum der deutschen Juden (1994) über das Wort, das bei Juden »wie im Deutschen, nur häufiger gebraucht« werde: »Der eigentliche Sinn der Interjektion war, bösen Einfluß abzuwehren.«

Heute wird »Toi-toi-toi« unabhängig von »unberufen« (speziell im Jargon von Opernsängern) benutzt, um jemandem gutes Gelingen zu wünschen. Der Ursprung des Ausrufs ist umstritten: Für eine dreimalig verkürzte Nennung des Teufels könnte ein Beleg im Schwäbischen Wörterbuch sprechen (»No kommt mer in 's Teu-Teu-Teufelskuchen bey ihm«). Überzeugender erscheint mir der von Hartwig Wilde in der Zeitschrift Der Sprachdienst (Bd. 15, 1971) hergestellte Zusammenhang mit jiddisch-rotwelschem »tof/tow« bzw. »toiw/tojw« (für gut), das bei Salcia Landmann ebenso aufgeführt wird wie in Erich Bischoffs Wörterbuch der wichtigsten Geheim- und Berufssprachen (1916), zu denen dieser auch die »Komödiantensprache« zählte.

Der in Israel lebende Literaturkritiker und Romancier Hillel Halkin, der viele hebräische und jiddische Werke ins Englische übersetzt hat, schrieb 2009 als »Philologos« für die Zeitschrift Forward den Beitrag »Spit Your Way To Safety: Toi, toi, toi.« Darin deutet er »Toi, toi, toi« als Variante des ostjiddischen Rufes »Tfu(t), tfu(t), tfu(t)«, mit dem böse Blicke oder Geister gebannt werden sollten; auch im modernen Hebräisch kennt man den zweimaligen Ruf »Tfu, tfu!«.

Viele jüdische Musiker und Chanson-Sänger haben erheblich zur Verbreitung des Spruchs beigetragen. In Wien erschien 1924 unter dem Titel Unberufen, toi, toi, toi! die Schallplatte des Komponisten Richard Fall. Den Schlagertext zur während der 1920-er Jahre beliebten Shimmy-Musik hatte der Librettist Fritz Löhner (geboren als Bedřich Löwy) verfasst.

Am 11. April 1931 fand im Theater am Kurfürstendamm die Premiere einer Burleske in acht Bildern statt: ihr Titel Alles Schwindel. Das Buch zur Musik von Mischa Spoliansky hatte der Kabarett-Autor und Texter Marcellus Schiffer geschrieben: »Alles ist heut' ein Gesindel,/ jedes Girl und jeder Boy,/ wird einem schlecht dabei!/ 's wird einem schwindlig von dem Schwindel,/ alles, alles, alles Schwindel,/ unberufen, toi! toi! Toi!«

Mit Ausnahme Schiffers, der sich 1932 das Leben nahm, und Spolianskys, der nach London emigrierte, wurde neben allen genannten Künstlern auch der erfolgreiche Schlagerkomponist Willy Rosen im KZ Auschwitz ermordet. Für das Lagerkabarett verfasste er das Chanson: »Wenn man kein Glück hat / dann hat das Leben keinen Sinn. / Wenn man kein Glück hat / dann rutscht man aus und fällt man hin./ Drum bitt´ ich dich, Fortuna, bleib´ mir treu,/ unberufen, unberufen toi- toi-toi.«
Christoph Gutknecht - 15. März 2016
ID 9204
Unser Autor Christoph Gutknecht hat das Buch Gauner, Großkotz, kesse Lola: Deusch-jiddische Wortgeschichten geschrieben (erschienen in der Edition Q vom be.bra verlag, Berlin 2016).

Weitere Infos siehe auch: http://www.christoph-gutknecht.de


Post an Prof. Dr. Christoph Gutknecht



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