"On gelt iz keyn welt."
Jiddisches im pekuniären Wortschatz
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"Alle Indizien weisen darauf hin" – so Jochen Hörisch in seiner Essay-Sammlung Gott, Geld, Medien (2004) – "dass Geld nach Sprache das zweitwichtigste und in vielen Kontexten vor Sprache das wichtigste Medium ist." Das zeigt sich in der Theologie, Philosophie, Literatur und in der Alltagssprache.
Der Volkskundler und Erzählforscher Lutz Röhrich (Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, 1991) nennt noch einen weiteren Grund für die vielen Ausdrücke im Wortfeld Geld: "Über 'Geld' spricht man nicht; daher die zahllosen umschreibenden Begriffe." Darunter sind viele deutsche Bezeichnungen und Redensarten mit jiddischen Wurzeln oder lebhaften Entsprechungen.
Ungerecht und vergänglich
Schon lange empfand man, dass es in finanziellen Dingen oft nicht gerecht zugeht: "Asoj geht es ojf der welt, ejner hot dem bajtel und der anderer dos geld" (= "So geht es auf der Welt: der eine hat den Beutel und der andere das Geld"). Das führte zum Eindruck: "Geld halt sich nor in a groben sack" (= "Geld hält sich nur in einem groben Sack"): mit dem groben Sack ist ein unbarmherziger Mensch gemeint, der sich an sein Geld klammert. Solche Menschen renommieren gern mit ihrem Vermögen. "As men bekumt geld, trásket men mit der langer bajtsch" (= "Wenn man Geld bekommt, knallt man mit der langen Peitsche").
Reichtum kann vergänglich sein. Das wird im deutschen Sprichwort "Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen" eingefangen, im Jiddischen konkreter als: "Nit genug, wos men wert on dos geld, ruft noch jener: nar!" (= "Nicht genug, dass man das Geld verliert, ruft der andere noch: 'Narr!'").
Schnell folgt die Einsicht: "Geld is an awójde sóre, ober as es is nit do, is a grójsse zóre" (= "Geld ist ein Götzendienst, aber ist es nicht da, ist es seine große Plage"). Das jiddische "awójde sóre" stammt vom hebräischen "‘awodá sará" (mit der Bedeutung "fremder Gottesdienst" = "Götzendienst").
Der Spruch "As Got lost leben, mus er derzu mooss geben" (= "Wenn Gott lässt leben, muss er dazu Geld geben") führt zum jiddischen Wort "mooss" (zurückzuführen auf hebräisches "mā’ōt" = "Kleingeld, Münzen") für "Geld", das um 1750 im Rotwelschen belegt und noch heute umgangssprachlich im Gebrauch ist.
Etymologisches
Die saloppen "Mäuse", wertet die Sprachwissenschaftlerin Heidi Stern im Wörterbuch zum jiddischen Lehnwortschatz (2000) als volksetymologisch. Auch der Duden mutmaßt: "Vielleicht entstellt aus 'Moos' oder nach dem Vergleich der (silber)-grauen Farbe der Mäuse mit der der Silbermünzen."
Das der Gaunersprache entlehnte "Kies" für Geld ist nicht sicher zu deuten. Der Ableitung von jiddischem "kis" (= "Geldsäckel") hat der Hamburger Jiddist Salomo Birnbaum in der Zeitschrift für deutsche Philologie (1955) widersprochen. Neben anderen vertritt auch Wolfgang Pfeifer im Etymologischen Wörterbuch des Deutschen (1993) eine "Herleitung von rotwelschem Kies/Kîsel, dessen Bedeutung ›Stein‹ eine Verbindung zum rotwelschen Plural Steiner für 'Münzgeld' ermöglicht. Da 'Scheidemünze, Silbergeld' als früheste Bedeutung von Kies anzusetzen ist, kann eine inhaltliche Beeinflussung von Kies durch Steiner angenommen werden."
Bei der Wortübernahme zwischen Sprachen nicht nur auf die lautliche Integration zu achten, sondern genauso auf das, was vom semantischen Potential erhalten und was beim abgeleiteten Ausdruck hinzugefügt wurde, empfiehlt auch Hans Peter Althaus (Mauscheln, 2002) im Blick auf die Namen Mausche und Mauschel: "Wenn in Südhessen Geldmosche eine Bezeichnung für 'Kapitalist', aber auch für 'hartherziger, geldgieriger Reicher' war, dann schimmerte dort nicht nur durch, dass Juden früher als Bankiers und Geldverleiher tätig waren, sondern auch, dass ihre Kunden durch die Aufnahme von Darlehen in finanzielle Schwierigkeiten und damit auch in Abhängigkeit vom Darlehnsgeber geraten konnten. Während dieser Sachverhalt in der antisemitischen Agitation eine große Rolle spielte, findet sich davon nichts in den Mundarten."
Christoph Gutknecht - 13. April 2019 ID 11349
Post an Prof. Dr. Christoph Gutknecht
https://www.slm.uni-hamburg.de/iaa/personen/ehemalige-emeriti/gutknecht-christoph.html
Wie das aramäische Wort "Mammon" ab dem 16. Jahrhundert ins Deutsche gelangte
Schmattes, Schlager & Schongsongs - eine etymologische Deutung
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