Der tiefere Grund
für die Speisegesetze
Jüdische Riten und Symbole
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Was bedeutet "koscher" im Deutschen? Die Lexika geben durchgängig eine engere und eine übertragene Auslegung dazu an: "jiddisch 'koscher' [hebräisch 'kašer' = 'einwandfrei'] ̶ 1. 'den jüdischen Speisegesetzen gemäß [erlaubt]': 'koscheres' Fleisch; ein streng koscheres Restaurant; koscher essen; 2. (umgangssprachlich) 'rein', 'tauglich', 'in Ordnung': der Kerl ist [mir] nicht ganz koscher (= geheuer)."
Speisegesetze
Der niederländische Rabbiner Simon Philip de Vries (1870-1944) schrieb in seinem Buch über Jüdische Riten und Symbole (1990:148): "In den Großstädten und auch in kleineren Orten mit einer größeren jüdischen Bevölkerung sieht man in den Schaufenstern der Lebensmittelgeschäfte oft die Aufschrift 'koscher'. Das Wort hört sich geheimnisvoll an. Mit der Zeit erfährt man, dass es sich auf die angebotenen Lebensmittel bezieht. Da man schon ganz allgemein weiß, dass den Juden nicht der Genuss aller Nahrungsmittel gestattet ist, versteht man die Bedeutung des hebräischen Wortes: die hier angebotenen Lebensmittel und Getränke kann ein Jude unbesorgt kaufen. Das ist die richtige Schlussfolgerung."
Das Überleben Israels
Der amerikanische Rabbiner Alfred J. Kolatch (1916-2007) konstatierte in seinem Werk Jüdische Welt verstehen. Sechshundert Fragen und Antworten (1996:97ff.), das in Frankreich und in den USA zum Beststeller wurde, dass das Wort "koscher" ursprünglich gar nicht für Nahrungsmittel benutzt worden ist, dass es in der Bibel (Esther 8,5 und Prediger bzw. Kohelet 11,6) zum ersten Mal der in der Bedeutung "gut" oder "angemessen" vorkommt. Zugleich wies er darauf hin, dass die jüdischen Speisegesetze, die "kaschrut"-Vorschriften, nicht aus hygienischen Gründen eingeführt worden seien: "Wie der Talmud hervorhebt", so Kolatch, "werden Juden, die nicht mit ihren Nachbarn zusammen essen dürfen, auch sonst keinen Umgang mit ihnen pflegen. Und wenn sie keinen Umgang miteinander pflegen, gibt es weniger 'Mischehen', wodurch das Überleben des jüdischen Volkes gewährleistet wird. Dies mag der tiefere Grund für die Speisegesetze sein: das Überleben Israels dadurch zu gewährleisten, dass es heilig bleibt".
Traditionsreiche und Reformjuden
Der in Würzburg geborene Ezra BenGershôm (1922-2006), hat das Dritte Reich, wie der italienische Schriftsteller und Holocaust-Überlebende Primo Levi (1919-1987) später schrieb, als "Held nach der Art Chaplins..., unschuldig und schlau zugleich überlebt". Von 1942 bis 1943 wohnte er in Berlin – verkleidet als "Hitlerjunge"; 1943 bis 1944 gelang ihm die Flucht über Wien und durch die Balkanländer bis ins damalige Palästina. Nachdem er von 1960 bis 1985 in Rotterdam gelebt und gearbeitet hatte, übersiedelte er nach Jerusalem.
Der schwäbische Rabbinersohn, dessen Lebensweg Hannes Stein in der WELT vom 27.09.2006 treffend nachzeichnete, wusste in seinem Buch Der Esel des Propheten ̶ eine Kulturgeschichte des jüdischen Humors (2000:52 f.) zu berichten, dass Heinrich Heine "für die traditionsreichen Juden immer noch mehr Achtung übrig hatte als für die Reformjuden, die in ihren prächtigen Synagogen, die sie Tempel nannten, die Formen des christlichen Gottesdienstes nachäfften und die mit dem ›Hamburger Tempelstreit‹ eine Spaltung in der deutschen Judenheit provozierten. Mit seinem Spott schonte Heine weder die Christen, die die Juden der Knauserigkeit beschuldigten, noch die Juden selber".
Widersetzig und aristokrätzig
Deutlich urteilte Heine in Deutschland – ein Wintermächen (1844:386): "Die Population des Hamburger Staats/ besteht seit Menschengedenken/ aus Juden und Christen, es pflegen auch/ die letzten nicht viel zu verschenken./ Die Christen sind alle ziemlich gut,/ auch essen sie gut zu Mittag/ und ihre Wechsel bezahlen sie prompt/ noch vor dem letzten Respittag.// Die Juden theilen sich wieder ein/ in zwey verschiedne Parteyen;/ die Alten gehn in die Synagog‘/ und in den Tempel die Neuen./ Die neuen essen Schweinefleisch, zeigen sich widersetzig, / sind Demokraten; die Alten sind/vielmehr aristokrätzig.// Ich liebe die Alten, ich lieb die Neun‘/ doch schwör ich beim ewigen Gotte,/ ich liebe gewisse Fischchen noch mehr,/ man heißt sie geräucherte Sprotte."
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Christoph Gutknecht - 24. Januar 2022 ID 13419
Post an Prof. Dr. Christoph Gutknecht
https://www.slm.uni-hamburg.de/iaa/personen/ehemalige-emeriti/gutknecht-christoph.html
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