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nachDRUCK # 2

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Interview-Chat

SHIRLEY MICHAELA SEUL

Schriftstellerin und Ghostwriterin


Foto (C) Christoph A. Hellhake


"Leiche, Promi, Hund,

Sommer."
*)


Hi Michaela, endlich machen wir unsern geplanten Chat! Hattest du Stress bis da?

Shirley Michaela Seul:
Knallblauer Himmel. Knallfrühling. Knallgutelaune = kein Stress!


Was macht der Hund gerade?

SMS:
Er liegt im knallgrünen Gras und kaut an einem Knochen mit innen drin Pansen.


Pansen?

SMS:
Das ist irgendwas aus dem Kuhmagen, ich kenne mich nur mit Ochsenziemern aus, das sind lang gedrehte Bullenpenisse, aber darüber wollten wir, glaube ich, nicht chatten?


Klingt auch alles ziemlich eklig - also los denn... Wir kennen uns seit über 20 Jahren, damals nahm ich dich als Kurzgeschichtenschreiberin auf einer Münchner Werkstattlesung erstmals wahr. Den Batzen dieser Texte hättest du inzwischen auf weit über 500 gehäuft - habe ich diese Anzahl richtig recherchiert?

SMS:
Im Rechnen bin ich schwach - aber ich habe mittlerweile rund 70 Bücher veröffentlicht.


Aber ich meinte halt die Kurzgeschichten... Deine Erstveröffentlichung Nachts brennen die Betten doch (Edition Dead Monkey, 1994) bestand bezeichnender Weise in der losen Auswahl von acht Kurzgeschichten, und ich mochte und ich mag die Schilderung von Sexszenen in ihnen ganz besonders. Auch die Dialoge: eine Wucht!

SMS:
Ach! Das ist ja so lange her! Ich war damals, nachdem ich zirka 500 Absagebriefe von Verlagen bekommen hatte, sehr glücklich darüber, dass sich dieser kleine Berliner Verlag zu dem Bändchen mit mir entschieden hat! Ich glaube, wenn ich das jetzt noch mal lesen würde, also ich könnte knallrot werden, um bei den Knallern vom Einstieg zu bleiben.




Nachts brennen die Betten doch (C) Edition Dead Monkey, Verlag Thomas Nöske, Berlin 1994



Das Mittel des Dialogs nutzt du auch ausgiebig in den Ghostwrite-Büchern von dir. Wie stellt man sich das vor? Lässt du dir beispielsweise von den Prominenten deren Leben inkl. vieler Dialoge zwischen ihnen sowie anderen Personen ihres Lebens (sage ich jetzt mal ganz flapsig) dann auf Band erzählen und schreibst einfach mit, oder lassen dir die Prominenten formuliererischen Spielraum, also geben dir bestimmte Dialoghäppchen à la "Da sagte(n) er/sie mir, dass... und da antwortete ich... und darauf meinte(n) er/sie, dass" etc. pp. und du spinnst ihre Dialogfäden dann einfach weiter und lässt dir dann von den Prominenten deren Dialoge (von dir) absegnen? Du merkst schon, dass das Thema insbesondere für einen Stückeschreiber so wie mich besonders spannend ist.

SMS:
Das kann ich nicht für alle beantworten. Nur eines mache ich nicht: Ich nehme die Gespräche nicht auf. Ich schreibe immer gleich mit. Das Zehnfingersystem ist fast das Einzige aus meiner Schulzeit, das mir im Leben was gebracht hat. Ich tippe sehr schnell. Ein Mensch, für den ich ein Buch schreibe, erzählt, ich tippe gleich mit und sortiere schon das Buch vor dabei. Das klappt, weil ich schon so viele geschrieben habe. Fast immer schreibe ich alles. Die "Hauptautoren" schreiben keinen Satz im Buch. Manchmal schreibt aber auch jemand ein bisschen mit, also gibt mir Textvorschläge. Doch das ist eher selten. Bevor ich ein Manuskript an den Verlag gebe, hat der/die "Hauptautor/in" es natürlich freigegeben. Zu den Dialogen: Richtig tolle Sätze schreibe ich wortgetreu. Also Zitate wie "Ich bin die Augen von Pamela Pabst" - das wäre ein starkes Zitat in einem Buch, oder wenn jemand deutlich wird: "Am schönsten ist es, wenn die geschlachtete Sau dampft." Überhaupt werden in manchen Sätzen Menschen sehr spürbar. Und die verwende ich dann natürlich originalgetreu.


Jedenfalls war ich total begeistert, wie du bei der Lesung aus Pamela Pabsts Biografie Ich sehe das, was ihr nicht seht die Stimme, je nach Dialogpartner, verschieden wechseltest und so für eine gute Hörerstimmung zusätzlich noch sorgtest. - Sag, wie kam es eigentlich dazu, dass dir die erste blinde Strafverteidigerin Deutschlands derart viel Vertrauen schenkte, dass du dann mit ihr das Buch zusammen machtest?

SMS:
Es gibt drei Möglichkeiten, wie ich als Ghostwriterin/Co-Autorin zu meinen Stoffen komme: Entweder der Verlag gibt mir den Auftrag oder ich finde eine interessante Person, oder eine Person wendet sich an mich. Über Pamela Pabst habe ich einen Artikel in der ZEIT gelesen. Ich bat meine Agentin, Kontakt mit ihr aufzunehmen, weil beide in Berlin sind, sonst hätte ich das selbst gemacht. Als Pamela Pabst die Idee, ein Buch zu machen, auch gut fand, telefonierten wir, und drei Monate später "sahen" wir uns zum ersten Mal und begannen gleich mit der Arbeit am Buch.


Wie lange brauchst du für so ein Buch?

SMS:
Mein schnellstes: knapp 3 Wochen. Da hatten sich der Promi und sein Ghost gestritten, und das Buch sollte zur Messe erscheinen. Mehr Zeit hatte ich nicht. Ich habe von vorne angefangen und es geschafft. So was ist aber stressig, das wäre auch bei so einem Wetter wie heute stressig!


Aber du lebst am See und tankst dort, wie der Laie denken könnte, "pausenlose" Ruhe...

SMS:
Am See nicht. In der Nähe von 5 Seen, zwischen Starnberg und München im so genannten Fünfseenland. Dort spielen auch meine Krimis.


Apropos: Bei Heyne hattest du seit 2011 diese erfolgreich laufende Hundekrimi-Reihe, Franza und Flipper ermitteln. Geht die Serie weiter? Wenn man in deinem Hundeblog nachliest, warten die Leser ungeduldig auf Teil 4...

SMS:
Ja, das ist sehr schön, dass ich so oft gefragt werde, wie und wann es weitergeht. Nächste Woche erfahre ich konkret vom Verlag, wann der vierte Teil erscheinen soll. Die Story weiß ich schon lange.


Also liegt der Krimi längst in deiner Rübe und wartet auf Erntehelfer?

SMS:
So viel wie diesmal wusste ich noch nie! Beim ersten der drei Teile, die übrigens unabhängig voneinander zu lesen sind, also bei Alle Vögel fliegen hoch, hatte ich am Anfang nur drei Sätze und keine Ahnung, wie das weitergehen sollte, wer da sprach - nichts. "Die Leiche traf mich nicht unvorbereitet. Ich hatte mit ihr gerechnet. Schon seit Jahren, genauer gesagt seit drei Jahren. Wer einen Hund hält, muss mit einer Leiche rechnen." Nach und nach entwickelte sich der Stoff und der Hund stellte sich mir als "Flipper" vor. Als ich dann später beim Chef der für meinen Fall (spielt am Starnberger See) zuständigen Kripo war und der mich nach dem Mörder fragte, musste ich zugeben: Keine Ahnung. Da meinte er. "Da geht es Ihnen ja wie uns. Am Anfang wissen wir auch nicht, wer der Mörder war." Das war eine Art Freispruch für mich. Aber diese Herangehensweise an einen Krimi ist nicht ratsam, und ich habe das dann ab dem zweiten Teil der Serie geändert.


Außer Krimis schreibst du ja auch "Anderes". Ja und von deinen mittlerweile 70 Büchern (wie du vorhin sagtest) - welches ist dann eigentlich dein liebstes?

SMS:
Ich kann mich nicht für eins entscheiden. Zu den Favoriten gehört, im letzten Herbst erschienen, Luna Seelengefährtin. Dann natürlich alle drei Kriminalromane bei Heyne. Und meine beiden Romane Leben ohne Leander und MitGift. Von den Ghostwritings: Kurt Peipe Dem Leben auf dem Fersen. Oder Wenn der Tod plötzlich kommt, das ist auch erst neulich erschienen. Und: Mein Leben mit den Toten - ach, ich hör auf! Es sind so viele interessante Projekte...


Mein liebstes Buch von dir ist der Roman Leben ohne Leander, der vielleicht am meisten, jedenfalls als du ihn 1998 schriebst, mit dir zu tun hat. Willst du kurz was dazu sagen?

SMS:
Seit langem will ich es übrigens mal wieder lesen... Das ist mein persönlichstes Buch. Ich war Mitte 30, als mein damaliger Lebensgefährte plötzlich verstarb. Wir wollten grillen, er lag im Garten im Gras, die Augen offen und ohne Atem. Er war Anfang 40. Diese Lebenskrise hätte ich ohne Schreiben nicht so gut überstehen können. Ich habe mich an meinen Buchstaben zurück ins Leben gehangelt.


Das spürt der Leser übrigens sehr, sehr, sehr stark!!!

SMS:
Ist das jetzt ein Kompliment?


Was sonst?!

SMS:
Danke! Es war mir damals auch ein Anliegen, bestimmte Tabus anzusprechen, anzuschreiben, die ich z.B. in keiner herkömmlichen Trauerliteratur gefunden habe. Zum Beispiel: Darf eine trauernde Witwe auch erotisch was vermissen – heute spricht man da eher drüber, damals nicht. Leserbriefe haben mir gezeigt, dass das richtig war. Es ist sehr schön, wenn ich mit diesem Buch anderen Menschen in so einer Situation beistehen kann. Ich bin gespannt, wie es mir geht, wenn ich es irgendwann mal wieder lese. In meinem aktuellen Buch Luna Seelengefährtin habe ich darauf noch einmal Bezug genommen und den Schlangenbiss an einem Hund mit dem Tod eines Lebensgefährten verbunden. Aber eben aus mehr als 15 Jahren Abstand.




Hündin Miss Lomax hat die vorherige Position von Hündin Luna (Luna Seelengefährtin) eingenommen - Foto: privat



Und mit Luna (Luna Seelengefährtin), deinem ersten Hund, hattest du auch deinen Hundeblog im Web gestartet...

SMS:
Ja.


Nun hat derweil Miss Lomax [Folgehund von Luna, a.so.] die Geschicke in die Hand (Pfote) genommen. Doch den Hundeblog hast du v.a. in der letzten Zeit durch deine "Hauspost" aufgemischt. Hierin gibst du, in losem Abstand, ab und zu so Tagebuchmäßiges von dir Preis. Das liest sich sehr, sehr gut...

SMS:
Das erkenne ich sofort als Kompliment!


Ich vermute mal, dass deine Zugriffszahlen in dem Hundeblog (halt durch die Hauspost) in der Zukunft explodieren werden...

SMS:
Ach das wäre schön! Wobei ich ja mit den Zugriffen auf den Hundeblog bereits sehr zufrieden bin. Aber ehrlich gesagt bin ich unsicher, ob das die Leute interessiert - nun, ich mache es nun mal weiter, weil es mir geraten wurde. Das Berufsbild einer Schriftstellerin hat sich ja sehr gewandelt in den letzten Jahren.


Das glaube ich jetzt nicht, dass "man" dir zu dem fetzigen Hundeblog erst raten musste. Einer Hundenärrin so wie dir?!

SMS:
Ich habe mich ein Jahr dagegen gewehrt. Ich fand nämlich, dass ich genug schreibe. Jetzt auch noch ein Blog? Und das ohne DSL! Habe es bis heute nicht. Wir chatten hier quasi telepathisch.


Auch ich finde den ganzen SocialMedia-Kram totale Sch... - doch wat mut dat mut!!

SMS:
Genau, so schaut's aus. Du, übrigens: Dies ist mein erstes Mal. Du hast mich hiermit entjungfert im Chat. Ich habe nämlich noch nie vorher...


Für alles scheint's ein erstes Mal zu geben... Letzte Frage (um dich zu erlösen): Derzeit bist du ja mit einem neuen Ghostwriting in Arbeit. Willst du uns den Namen des/der neuen Prominenten, der/die sich von dir behandeln lassen wird, verraten? Ich vermute, du sagst nein.

SMS:
Wollen schon. Aber das darf ich im Moment nicht. Nur so viel: Ist eine bekannte Fernsehmoderatorin. Jetzt gerade schreibe ich einen Thriller unter meinem Namen. Und danach als Ghost für einen Detektiv für Wirtschaftskriminalität.


Also wieder vollste Dröhnung, dreiwas und auf einmal! Wahnsinn!!

SMS:
Nein, nacheinander. Chatten macht übrigens Spaß. Die Pausen dazwischen... während ich warte. Sehr schön! Könnte man Rauchern empfehlen, die aufhören wollen. Geht auch mit chatten.


Im Schwulen-Chat (nur so als abwegiges Beispiel aus eigener Erfahrung) wird dann oftmals zwischendurch gewixt...

SMS:
Das war jetzt übrigens das erste Mal nach all unsern Begegnungen, dass ich nicht gleich eine Antwort wusste. Also lassen wir das mal so... STEHEN.


Aha - na jedenfalls: Gib mir Bescheid, sobald du wieder in Berlin bist? Servus, du! (Hat Riesenspaß gemacht mit dir.)

SMS:
Servus Andre!


Ciao Baby!!



Foto (C) Thomas Brodmann


Interviewer: Andre Sokolowski - 7. April 2014
ID 7736
*) "Und, worum geht es in deinem neuen Roman, werde ich manchmal gefragt. Und dann passiert mir immer dasselbe. Ich weiß es nicht. Ich konnte noch nie über das sprechen, was ich schreibe. Neulich habe ich geflunkert: Leiche, Promi, Hund, Sommer. / 'Klingt spannend', meinte mein Gegenüber. / 'Das wird es auch', behauptete ich, obwohl ich die Leiche noch nicht gefunden habe und vom Sommer weit und breit nichts zu sehen ist..."

(Quelle: Hauspost v. 26.02.2014 in flipper-privat.de)


Weitere Infos siehe auch: http://www.shirleyseul.de


http://www.andre-sokolowski.de



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