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Kommentar

Ulysses hat der Literatur

geschadet - sagt zumindest

Paulo Coelho





In einem Interview, das Paulo Coelho Anfang des Monats der englischsprachigen Ausgabe des Folha de S. Paulo gab, erhebt der brasilianische Autor von Weltbestsellern wie Der Alchimist provokante Vorwürfe gegen den irischen Schriftsteller James Joyce und sein Werk Ulysses (1922), das im gängigen Literaturkanon als Meilenstein der Literaturgeschichte gilt.

Coelho wird dabei wie folgt zitiert: „One of the books that caused great harm was James Joyce’s Ulysses, which is pure style. There is nothing there. Stripped down, Ulysses is a twit.” Laut Coelho dienen solche Bücher lediglich der Aufpolierung des narzisstischen Autoren-Egos. Ihm zur Folge ist der Inhalt das, was zählt, und nicht etwa die Art und Weise, wie man ihn verpackt.

Doch da macht es sich der Bestsellerautor ein bisschen zu einfach: Der Inhalt eines Buches ist nicht loszulösen von dessen Form; beides steht in unmittelbarem Dialog zueinander. Zwar mögen sich Coelhos Werke von denen experimenteller Autoren wie Joyce unterscheiden, aber auch er macht letztendlich Gebrauch von Stilmitteln und allerlei formalen Elementen, um seine penetrant lebensbejahenden und sinngebenden Botschaften unter das gemeine Volk zu bringen. Sicherlich, Ulysses ist ein extremes Beispiel, doch genau diese sind nötig, um der literarischen Welt unbekannte Pfade zu eröffnen. Ohne die Errungenschaften von beispielsweise James Joyce oder T.S. Eliot hätte es einen Samuel Beckett oder Kurt Vonnegut nie gegeben. Dass ein Herr Coelho auf seinen ausgelatschten Pfaden nicht ins Stolpern kommt, ist nicht verwunderlich. Ob seine Werke spätere Generationen noch so nachhaltig beeinflussen werden, bleibt fraglich.

Außerdem muss eine Betonung der Form nicht gleich mit einer Abwertung des Inhaltes einhergehen. Dass es den modernen Autoren, wie unter anderem auch Virginia Woolf in ihrem Roman Mrs. Dalloway, darum ging, ebenjenen scheinbaren Banalitäten des Alltags Gewichtung zu geben und anstatt weltbewegenden Ereignissen mit umgreifenden Einfluss der individuellen Introspektion eine Stimme – und auch eine Ausdrucksform – zu verleihen, scheint Coelho wohl nicht verstanden zu haben. Er sieht vielmehr sich selbst als Prototypen des modernen Autors: „I’m modern because I make the difficult seem easy.“ So lautet sein Paradigma, das sich fast wie ein Umkehrschluss des Anliegens der (post-)modernen Literatur liest. Schwierig und komplex im Sinne von tiefgründig, scheint der Schriftsteller, dem anbei bemerkt der enge Kontakt zu seinen Lesern sehr am Herzen liegt, nicht zu differenzieren.

Abschließend bleibt festzuhalten: Die Tatsache, dass sich ein Buch nicht mit Leichtigkeit zur Klolektüre eignet, darf kein Kriterium zur Beurteilung von Literatur sein.

Lisa Krawczyk - 8. August 2012
ID 6135


Siehe auch:
http://www1.folha.uol.com.br/internacional/en/culture/1131885-ulysses-was-harmful-to-literature-says-coelho.shtml





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