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Der 3. Mann



Bewertung:    



Die Büchergilde Gutenberg ist bekannt für ihre schön gestalteten Bücher und ihre Auswahl aktueller Titel ebenso wie die Neuauflage literarischer Klassiker. Nach unheimlich gelungenen Bänden wie Michael Bulgakows Hündischem Herz oder Rudyard Kiplings Über Bord – unbestritten literarische Perlen, die in herausragender Weise illustriert, gesetzt und in eine neue Buchform gegossen wurden – folgt dieses Jahr Der dritte Mann von Graham Green.

Der aus dem Drehbuch des gleichnamigen Films von 1949 hervorgegangene Kriminalroman spielt in Wien kurz nach Kriegsende. Die Handlung ist schnell erzählt: Russen, Franzosen, Briten und Amerikaner haben die Stadt besetzt. In den Trümmern blüht der Schwarzmarkt, und ein unsentimentaler Erzähler ermittelt als Militärpolizist im Untergrund der Stadt. Auf der Suche nach den Hintermännern einer skrupellosen Schieberbande, die mit dem Handel von lebenswichtigen Medikamenten viel Geld scheffelt, begegnet er Rollo Martins, der ihn irgendwie zu faszinieren scheint und dessen Vergangenheit in Form des zwielichtigen Jugendfreunds Harry Lime vor dem Leser ausgebreitet wird. Beide stehen für unvereinbare Gegensätze: Im Angesicht von Krieg und Zerstörung ist für Lime die Welt bereits untergegangen und jeder sich selbst der Nächste. Für Martins hingegen sind Ehre und Recht gerade in diesen Zeiten unverzichtbar. Die ideologischen Gegensätze entwickeln sich zu einem Showdown der beiden Männer in der Wiener Kanalisation.

Von der Illustratorin Annika Siems in weichen schwarz-weißen Tuschzeichnungen visualisiert wird die Geschichte noch einmal intensiv erfahrbar. Gelungen fängt sie die Atmosphäre der Erzählung ein, und in der kognitiven Verarbeitung des Lesers verschmelzen Text und Bild zu einem inneren Erleben. Die Leseerfahrung lässt einen dadurch zu einem Teil der Handlung werden, man steht neben Martins im Regen, sitzt mit ihm in Hotellobbys oder schleicht mit der Waffe unterm Trenchcoat durch Tunnellabyrinthe. Mit Sims auf das Genre optimal abgestimmtem Stil ist die Darstellung einerseits vertraut, andererseits eine zeitgemäße Neuinterpretation der Geschichte um Freundschaft, Moral und Verrat. So ist die Ausgabe ein Vermittler zwischen Buch und Film-Klassiker, die den bekannten Stoff in gelungener Weise neu auflegt.

Anstöße zu aktuellen Debatten bietet die Ausgabe leider nicht. Aber das wäre vielleicht auch zuviel des Guten. So ist gerade das Entspannende an der Lektüre, dass sie ein zeitloses Stück Kriminalliteratur darstellt, die vor dem Hintergrund eines demoralisierten Wiens eine Geschichte von Freundschaft, Moral und Verrat erzählt. Liebhaber illustrierter Bücher werden ihre Sammlung mit diesem wie gewohnt schön gestalteten Buch sicherlich ergänzen. Für Leser einigermaßen anspruchsvoller (vielleicht auch mit einer politischen Vision angereicherter) Literatur ist Der dritte Mann (zumal als Klassiker den meisten schon bekannt) nicht zwingend ein Stoff von Interesse. Wer ein Fan des Films ist und sich mit ihm in seine persönliche Vergangenheit zurückversetzt fühlt, wird das Buch jedoch mit neu entflammter Spannung und etwas Wehmut lesen.

August Werner - 20. Oktober 2017
ID 10324
Link zum Buch: http://edition-buechergilde.de/portfolio-posts/graham-greene-annika-siems-der-dritte-mann/


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