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Lesung

Einar für alle

Wenn Kraftwerke sich nachts wie Kähne auf dem Main passieren – Sophie Rois liest Einar Schleef in der Art wie man irische Lieder am besten singt


Das ist Sophie Rois - Foto (C) Jamal Tuschick



Das Reibeisen ihrer Stimme schmirgelt Sporen von den Silben. In jedem Laut könnte der Schrei eines Erstickenden steckengeblieben sein. Ich habe erlebt, wie Schleef das Publikum zur Geisel machte. Er zwang andere in seinen Prozess mühevoller Wortbildungen. Einar rang für alle. Schleef starb 2001 in Berlin, in einer aufgelassenen Gasanstalt im Prenzlauer Berg sind zurzeit Zeichnungen von ihm zu sehen. Heute Abend liest Sophie Rois in der Galerie, die einmal eine städtische Angelegenheit war, aus Schleefs Tagebüchern. Altmeister Hans-Ulrich Müller-Schwefe (Suhrkamp) klärt die biografischen Koordinaten.

Schleef wird Vierundvierzig in Sangerhausen geboren. Barbarossaland unter dem Kyffhäusergebirge – Man sagt „Dreckarsch“ zueinander, wenn der Vater dem Sohn ein offenes Wort einschenkt. Der Sohn schreibt vom neunten Lebensjahr an auf. Anne Franks Tagebuch dient der Anregung. Dass man etwas für sich behalten kann. Ein früher Eintrag: „Auf der Straße Panzer.“

Der Text geht durch das Ich, das beglaubigt ihn. Das Ich geht durch den Text, das erhält es. Monumentalität und Kleinkram werden nicht geschieden.

Anfang der Sechziger geht Schleef nach Berlin und studiert in Weißensee Bühnenbild. Er wirkt an lauter ersten Linien, die Mutter versteckt seine Tagebücher vor dem Vater und der Stasi unter den Kohlen im Keller. „Was sagen all diese Bücher über mich aus?" fragt er sich. „Ach, es ist so viel Unwahres darin, so viel Lüge und Widerspruch.“

Schleef korrigiert sich, es ergibt sich eine autobiografische Wucherung. Darin wird schlechtes Gedächtnis beklagt: „Ich vergesse, ich beende ein Buch, eine Inszenierung und habe alles vergessen, kein erinnerliches Detail, keine Namen.“

Schleef inszeniert am Berliner Ensemble, an der Burg, in Frankfurt. Im Westen und am Main fängt er an zu fotografieren. Die Aufnahmen kommen zu den „Backsteinen aus Worten, die ich den Leuten um die Ohren schmeiße“. Rois’ Vortrag folgt dieser Spur der Steine, er prüft das Gewicht einer Versammlung von Gespenstern eines halben Jahrhunderts in fünf Bänden.

Im Juni Dreiundfünfzig notiert Schleef: „Polizisten schlagen Männer zusammen, Blut vor dem Rathaus.“ Der Vater schlägt den Sohn, der Sohn fällt aus dem Zug und aus der Rolle. Er fällt unangenehm auf. Schleef selbst resümiert fünfzig Jahre später bei der Abschrift seiner Notizen: „Mir fehlte die Kraft, die Brutalität, mir fehlte die Liebe.“ Er stellt fest: „Ich kann nur Schreibmaschine.“
Jamal Tuschick - 29. November 2013
ID 7407
Einar Schleef | Tagebuch 1999-2011
Broschur, 491 Seiten
D: 30,00 € | A: 30,90 € | CH: 40,90 sFr
Suhrkamp, 2009
ISBN 978-3-518-42070-6


Weitere Infos siehe auch: http://www.suhrkamp.de/veranstaltungen/lesung/einar_schleef_16563.html


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