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MUSIKFEST BERLIN 2023

Monteverdi Choir & Orchestre Révolutionnaire et Romantique

Dinis Sousa


Dinis Sousa | (C) Jorge Carmona/ Antena 2; Bildquelle: dinissousa.com

Bewertung:    



Ich kann mit Les Troyens von Hector Berlioz (1803-1869) instinktiv nichts anfangen, also nicht wirklich. Dreimal überwand ich mich zu ihnen, weil ich (schon nach meinem ersten Mal vor 13 Jahren) hoffte, dass ich mit dem Widerwillen dieser Oper gegenüber irgendwie womöglich falsch lag, doch vergeblich; auch nach Hamburg (2015) oder Köln (2022) blieben die Widerstände bei mir unverrückt; was das nur ist?!

Nun wollte ich es wieder wissen!

Und ich wollte das in erster Linie freilich deshalb, weil ich Maestro Sir John Eliot Gardiner (80), den Doyen in puncto historische Aufführungspraxis, hiermit live erleben wollte; in zurückliegenden Festen feierte er unter anderem mit seinem dreiteiligen Monteverdi-Zyklus und Berlioz' Benvenuto Cellini wahre Triumphe, ihn und seinen Formationen dabei zuzusehen, ist dann immer wieder ein Ereignis ersten Ranges.

(Gardiner kam diesmal freilich nicht, sondern "nur" seine beiden weltberühmten und von ihm gegründeten Spezialensembles Monteverdi Choir & Orchestre Révolutionnaire et Romantique. Es gab da nämlich einen handgreiflichen Zwischenfall am Anfang seiner Les Troyens-Tournee, wofür er sich dann zwar bei dem von ihm Geohrfeigten in aller öffentlichen Form entschuldigte; doch der Skandal an sich, der von der New York Times genüsslich aufgegriffen wurde, konnte nicht mehr ausgeräumt werden, ja und so tat sich jetzt der Unbeherrschte auf sein Landgut, wo er eine Auszeit inkl. Therapien nehmen will, zurückziehen und beauftragte kurzerhand seinen Assistenten, der die aufwändige Produktion von Anfang an begleitete, mit der Leitung der noch ausstehenden drei Tournee-Stationen bei den Salzburger Festspielen, beim Musikfest Berlin und bei den bevorstehenden BBC Proms. Nein, Sachen gibt's, die gibt's wohl nicht!)

*

Und Dinis Sousa (35) kam, sah, siegte!!

Ja und ehe ich mich jetzt zum Werk und seiner insgesamten Dargebrachtseinsweise aufs Verfänglichste verliere, hier noch kurz diejenigen "Momentaufnahmen", die mich während der nicht enden wollenden 5,5 Stunden gelebter Sitz- und Stehzeit (inkl. der zwei Pausen) am markantesten aus meinem Dämmerzustand hieften:

Chor und Orchester sangen und musizierten, dass mir stellenweise vor Erregung fast die Luft wegblieb - sie waren meine absoluten Favoriten!

Alice Coote als weissagende und sich schon im ersten Teil (noch vor der ersten Pause) selbst getötet habende Kassandra stak in einem kupferroten Pailettenkleid, auf dem es nur so glitzerte; sie sang natürlich auch auffallend gut.

Die phönizische Prinzessin Dido, die Äneas, den späteren römischen Stammvater, auf besitzergreifende Weise zu lieben vorgab und an ihrer derartigen Liebesgier selbstredend scheitern musste, fand in Paula Murrihy (im lachsfarbenen Seidenkleid und ohne jeden Glitzerschnickschnack) eine ziemlich glaubwürdige Interpretin; sie musste am allermeisten singen - hochbemerkenswert ihr immer linearer und v.a. leiser werdender "Liebestod" am Schluss des Stücks.

Beth Taylor (als Didos Schwester Anna) fiel, allein von ihrem durchschlagenden Alt her, gänzlich aus dem Rahmen; Super-Sound!

Die Stimme von Michael Spyres (als Äneas) ging mir gleich von Anfang an auf den Geist - das lag natürlich ausschließlich an mir.

Mein persönliches Highlight war jedoch das sogenannte Lied des Hylas ("Vallon sonore, où dès l'aurore") - so liebreizend betörend, wie es Laurence Klisby vortrug, hatte ich es nie zuvor gehört; es dürfte m.E. der einzige nachsingbare Hit sein, den der unsägliche Les Troyens-Schinken zu bieten hatte/ hat.

* *

Der Jubel wollte und wollte kein Ende nehmen.



Das Orchestre Révolutionnaire et Romantique und sein Gründer John Eliot Gardiner
Foto (C) Monika Karczmarczyk

Andre Sokolowski - 2. September 2023
ID 14365
MUSIKFEST BERLIN (Philharmonie Berlin, 01.09.2023)
Berlioz' Les Troyens

Besetzung:
Cassandre ... Alice Coote
Énée ... Michael Spyres
Didon ... Paula Murrihy
Chorèbe/ Sentinelle I ... Lionel Lhote
Ascagne ... Adèle Charvet
Narbal ... Alex Rosen (statt William Thomas)
Priam ... Tristan Hambleton (statt William Thomas)
Panthée/ Griechischer Anführer ... Ashley Riches
Anna ... Beth Taylor
Iopas/ Hylas ... Laurence Kilsby
Hécube ... Rebecca Evans
Hector/ Sentinelle II/ Mercure ... Alex Rosen
Helenus ... Graham Neal
Un soldat ... Sam Evans
Monteverdi Choir
Orchestre Révolutionnaire et Romantique
Dirigent: Dinis Sousa
Halbszenische Aufführung


Weitere Infos siehe auch: https://www.berlinerfestspiele.de/musikfest-berlin


https://www.andre-sokolowski.de

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