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Uraufführung

Frau auf

Krokodil und

Mann im

Puppenhaus

SEPTEMBERSONATE
von Manfred Trojahn


Septembersonate von Manfred Trojahn an der Deutschen Oper am Rhein | Foto (C) Wolf Silveri

Bewertung:    



Es mag ja sein, dass es sich auch heutzutage Opernkomponisten nicht nehmen lassen, die Libretti (Texte) ihrer Werke, und obgleich sie, was poetisches Verdichten oder Dichten angeht, keinerlei Talent besitzen, höchstpersönlich in Angriff zu nehmen. Ein durchaus nachvollziehbarer Ehrgeiz, dessen Ursache vielleicht darin zu finden ist, dass sie sich auf vergleichbar ähnliche Personalunionen berufen, wie etwa auf Richard Wagner, der bekanntlich all seine Musikdramen selbst textete; aber der Mann hatte auch eine dichterische Gabe für so etwas - unabhängig davon, ob seine in seinen Werken ausufernde Stabreime-Manie den heutigen Lesern und Hörern gefiele oder nicht.

Jetzt gab es an der Deutschen Oper am Rhein die Uraufführung von Manfred Trojahns 6-szenigem Kammerspiel Septembersonate (frei nach der Erzählung The Jolly Corner von Henry James), und das per Übertitel zu Lesende und mitunter - falls das lediglich aus 15 Musikern bestehende Kammerorchester nicht allzu überdeutlich der Lautstärke und akustischen Vernehmbarkeit der menschlichen Stimmen der vier Protagonisten paroli bot - zu Hörende wollte den Schreiber dieser Zeilen (und bei Weitem nicht nur den, wie links und rechts von seinem Sitzplatz aus zu sehen und zu spüren war) in eine derartige Abwehr- als wie Abschnarchlaune versetzen , wie er sie seit Jahren und Jahrzehnten so nicht mehr bei sich erlitten zu haben meinte.

Ist es möglich?

Es ging um eine Art von "Wiedergeburtsgeschichte", in der die Hauptfigur (Osbert Brydon, gesungen und gespielt von Holger Falk) ihren elterlichen Herkunftsort New York nach 30 Jahren europäischem Ferngewesensein aufgrund einer anzutretenden Erbschaft wiederaufsucht und dortselbst seiner früheren Sandkastengefährtin (Ellice Staverton, gesungen und gespielt von Juliane Banse) wiederbegegnet. Er ist ein erfolgreicher Schriftsteller geworden, sie beglückt ihre Umwelt als Schauspielerin. Künstler trifft Künstlerin, das wäre/ ist die faktische Grundkonstellation ihres so unverhofften Aufeinandertreffens. Hinzuerwähnt muss freilich sein, dass jener Hauptbetroffene dieser so pseudoleidigen Ich-Exkursion den von den kaufmännischen Eltern einstmals vorbestimmten kaufmännischen Berufsweg partout nicht einschlagen wollte und als unbedarfter Jüngling aus den Staaten floh; so ähnlich ging's und geht's ja auch (um eines der weltliterarischen Top-Beispiele diesbezüglich anzuführen) bei den Thomas Mann'schen Buddenbrooks zu, und obgleich ihr Autor sich natürlich selbst von dieser ihm unpassenden kaufmännischen Berufskarriere fluchtartiger Weise distanzierte, um sie umkehrschlüssig ein paar Jahre später als "Verfall einer Familie" exemplarisch zu behandeln.

Auch schwingt so ein Fall von unerfüllter Liebe (liebte er sie? oder liebte sie ihn?) mit, was dieser exkursiven "Wiedergeburt" noch eine zusätzliche und nicht minder krampfartige Bleiernheit verabreichte - sie offenbart ihm gleich mal zu Beginn ihres New Yorker Aufeinandertreffens: "Wenn ich Sie so [will sagen: "so als Schriftsteller, also wie jetzt, wie Sie mich jetzt so treffen"] getroffen hätte, ich hätte mich doch auf der Stelle in Sie verliebt."

Ja und in dieser Konjunktiverei verlaufen die bemühten Dialoge zwischen ihr & ihm dann anderthalb Stunden lang, beide umkreisen sich verbal unter Zuhilfenahme fürchterlicher Plattitüden; nein, es ist und war nicht auszuhalten, was man da per Übertitel so zu lesen kriegte. Am Schluss schien der im "Ich. Ich. Ich."-Zustand Verharrende, der nunmehr als Verdoppelung erschien (Osbert II, gesungen und gespielt von Roman Hoza) sich derart zu verlieren, dass ihm letztlich nur noch das Veweilen in der elterlichen Puppenstube übrig blieb, während die vormals Angebetete oder ihn vormals Anbetende als Dompteurin eines Krokodils obsiegte...

Himmel, Arsch und Zwirn!

*

Es gab dann aber auch, und zwar recht hörenswert, Musik; gottlob und immerhin:


"Neben dem Bläserquintett (Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott, Horn - mit verschiedenen Zusatzinstrumenten zur Erweiterung der Register und Farben), dem Klavier mit Celesta, der Harfe und mehreren Schlagwerkinstrumenten gibt es ein Streicherseptett. Unter diesen sieben Streichinstrumenten gibt es jedoch keine Geigen, lediglich Bratschen, Celli und Kontrabass. Diese Instrumente erzeugen einen dunkleren und tieferen Klang, der die Stimmung für ein ebenso tiefes und ernstes Erlebnis schafft. Wenn man dies mit Licht vergleicht, ist es eher ein Abend bei Kerzenschein als ein sonniger Tag. Und wenn diese tieferen Instrumente in den hohen Geigenregistern spielen müssen, entsteht der Eindruck, dass ein älterer Mensch in seiner eigenen Jugend wühlt. Man scheint die gleichen hohen Töne zu hören, die Geigen spielen könnten, aber sie haben nicht die Einfalt und Naivität der jüngeren Jahre."


So [s.o.] beschreibt es der designierte Generalmusikdirektor der DOR, Vitali Alekseenok in dem überaus lesenswerten Programmheft zu Trojahns Septembersonate. Er dirigierte dann auch ihre Uraufführung.

Am hörenswertesten (für mich!) gerieten allerdings die je am Anfang, am Ende und zwischen den jeweiligen Szenen "eingespielten" Herzpulsschläge.

Das Spektakulärste der Inszenierung war die zwischen den Jahrhunderten umhersphärende Ausstattung (Bühne, Kostüme) von Heike Scheele mit den nicht minder spektakulären Video-Einsprengseln Bibi Abels!!

Und Regisseur Johannes Erath tat letztendlich, um das künstlich zelebrierte Dauerdepressionsgesülze mit einem erkräftigenden Schluck Humor hinwegzuspülen, eine Kintopp-Einlage bewerkstelligen, wo man das Protagonistenpaar "zivil" und "live" im Foyer des Düsseldorfer Opernhauses sehen konnte - irgendwie gereizt oder genervt von dem soeben noch (im Saal?) Geseh'nen und das Haus im schlechtgelaunten Zustande verlassend - frei nach dem Loriot'schen "Margarete, kommst du?"



Septembersonate von Manfred Trojahn an der Deutschen Oper am Rhein | Foto (C) Wolf Silveri

Andre Sokolowski - 6. Dezember 2023
ID 14512
SEPTEMBERSONATE (Opernhaus Düsseldorf, 03.12.2023)
Kammerspiel in sechs Szenen von Manfred Trojahn
Text vom Komponisten frei nach der Erzählung The Jolly Corner von Henry James

Musikalische Leitung: Vitali Alekseenok
Inszenierung: Johannes Erath
Bühne und Kostüme: Heike Scheele
Licht: Nicol Hungsberg
Video: Bibi Abel
Dramaturgie: Anna Melcher
Besetzung:
Osbert Brydon ... Holger Falk
Ellice Staverton ... Juliane Banse
Osbert II ... Roman Hoza
Mrs. Muldoon ... Susan Maclean
Düsseldorfer Symphoniker
UA an der Deutschen Oper am Rhein: 3. Dezember 2023
Weitere Termine: 09., 14., 29.12.2023// 03., 14., 27.01.2024


Weitere Infos siehe auch: https://www.operamrhein.de/


https://www.andre-sokolowski.de

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