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nachDRUCK # 5

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Wiederaufnahme

Die Rückkehr

eines Glücksfalls



Bildquelle: staatsoper-stuttgart.de

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Ein besonderes Interesse des Teams Jossi Wieler, Sergio Morabito und Anna Viebrock gehört Vincenzo Bellini, der, in Deutschland jedenfalls, im Schatten von Verdi und Rossini steht. Wieler, Morabito und Viebrock haben überzeugend nachgewiesen, dass der Sizilianer keineswegs unter die Rubrik „Trivialität“ einzuordnen ist und die Libretti – die Musik sowieso – Material hergeben für ein modernes Verständnis von Oper. Die Entfernung aus der Zeit, in der Bellinis Opern spielen, mag nicht jedermanns Geschmack treffen. Wenn man solche Anachronismen jedoch akzeptiert, muss man konzedieren, dass sie bei den Genannten ungleich reflektierter und intelligenter ausfallen als bei geringeren Talenten, die sich meist im Epigonalen erschöpfen.

Nun ist La sonnambula (dt.: Die Nachtwandlerin) nach mehr als zwölf Jahren als Wiederaufführung nach Stuttgart zurückgekehrt. Seinerzeit bedeutete diese Inszenierung den viel beachteten Start der Karriere von Ana Durlovski. Heute übernimmt Claudia Muschio die Titelrolle der Amina. Helene Schneiderman hat schon ursprünglich in der Rolle von deren Ziehmutter Teresa brilliert und sie auch gesungen, als die Deutsche Oper Berlin die Inszenierung vor gut fünf Jahren auf ihren Spielplan setzte. Dass das Libretto auf einer gerade zwölf Jahre älteren Komödie beruht – darauf dürfte kein Besucher dieser Inszenierung von selbst kommen. Überhaupt muss man eingestehen, dass das Komische nicht die Stärke von Wieler, Morabito und Viebrock ist. Sie bilden, sehr zum Missvergnügen der zur permanenten Heiterkeit erzogenen Zuschauer, nicht eben ein Trio Infernal, aber doch ein sehr ernsthaftes Trio.

Und der ernsthafte Kern von La sonnambula? Die Einsicht, dass man „schuldig“ werden kann, ohne selbst davon zu wissen. Immerhin lange vor Kafka und Freud. Was die Nachtwandlerin tut oder mit sich geschehen lässt, entspricht dem Unbewussten, das zu Bellinis Zeit so noch nicht hieß. Der Somnambulismus hingegen ist älteren Datums und ein geläufiges Motiv der Künste von Kleists Prinz Friedrich von Homburg bis zum Cabinet des Dr. Caligari. Dass die „Ausrede“, man könne sich an etwas nicht erinnern, auch der Exkulpation für ein tatsächliches „Verbrechen“ dienen kann, steht auf einem anderen Blatt.

Im Zentrum der Stuttgarter Inszenierung steht der Chor, der sich fast durchgängig auf der Bühne befindet. Die Regie hat den einzelnen Figuren differenzierte Aktionen zugedacht, ohne in ein allgemeines Durcheinander zu verfallen. So kommt Bewegung in die Aufführung, obwohl die Positionen nur minimal verändert werden.

Deutlicher, als es das Libretto verlangt, thematisiert die Regie, durchaus in Übereinstimmung mit der Musik, die sexuelle Aggression und die Entjungferung der schlafwandelnden Amina. Genau genommen könnte Maria so zu ihrem Jesuskindlein gekommen sein. Die „jungfräuliche Geburt“ wäre dann nicht mehr als eine nachgelieferte Legende. Claudia Muschio spielt die Amina als etwas linkische Kindfrau, die an ihrem Kleid herumnestelt. Musikalisch ist sie kaum zu übertreffen. Das gilt auch für den Bass Adam Palka in der Rolle des Grafen Rodolfo. Charles Sy, für den der Elvino wie die Amina für Claudia Muschio ein Rollendebüt ist, zeigt sich als leichter, luftiger Belcanto-Tenor. Die Gegenfigur zu Amina, die Wirtin Lisa, verkörpert Catriona Smith, ein Urgestein des Stuttgarter Ensembles.

Das Repertoire am Eckensee hat wieder einen Gewinn zu vermelden. Es muss nicht immer eine Neuproduktion sein.
Thomas Rothschild – 8. Juli 2024
ID 14829
LA SONNAMBULA (Staatsoper Stuttgart, 07.07.2024)
Musikalische Leitung: Andriy Yurkevych
Regie: Jossi Wieler und Sergio Morabito
Bühne und Kostüme: Anna Viebrock
Licht: Reinhard Traub
Chor: Bernhard Moncado
Dramaturgie: Sergio Morabito und Angela Beuerle
Besetzung:
Graf Rodolfo ... Adam Palka
Teresa ... Helene Schneiderman
Amina ... Claudia Muschio
Elvino ... Charles Sy
Lisa ... Catriona Smith
Alessio ... Andrew Bogard
Ein Notar ... Juan Pablo Marin Gonzales
Staatsopernchor Stuttgart
Staatsorchester Stuttgart
Premiere war am 22. Januar 2012.
Wiederaufnahme: 7. Juli 2024
Weitere Termine: 10., 12., 17.07.2024


Weitere Infos siehe auch: https://www.staatsoper-stuttgart.de


Post an Dr. Thomas Rothschild

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