GMD in spe
Ivan Repušić dirigierte erstmals im Orchestergraben der Oper Leipzig
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Ivan Repušić, der designierter Generalmusikdirektor der Oper Leipzig, an der Seite der Bürgermeisterin und Beigeordneten für Kultur der Stadt Leipzig Dr. Skadi Jennicke (li.) und des Intendanten Tobias Wolff (re.) | Foto (C) Tom Schulze
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Musikalische Bewertung:
Die OPER LEIPZIG hat sich mit der Berufung ihres neuen Generalmusikdirektors, dem Amtsnachfolger von Ulf Schirmer (2009-2022 dortselbst), ein bisschen Zeit gelassen. Im November '23 stand es aber endlich fest:
Der kroatische Dirigent Ivan Repušić (47) wird ab der Spielzeit 2025/26 seinen neuen Posten antreten; derzeit ist er noch Chefdirigent des Münchner Rundfunkorchesters, und sowieso ist er in Deutschland längst kein Unbekannter mehr - beispielsweise an der Deutschen Oper Berlin, wo ich ihn vor 10 Jahren erstmals in einer Turandot-Aufführung live erlebte. Er ist - betrachtet man den derzeit ab- bzw. unabgreifbar lukrativen Spitzendirigenten-Markt - womöglich nicht die allererste Wahl, aber gewiss auch nicht die schlechteste. Wir werden sehen, und v.a. hören, was der vielerorts als Routinier bekannte und begehrte Dirigent ab diesem Herbst mit der OPER LEIPZIG und dem lt. städtischem Vertrag residial in ihrem Orchestergraben musizierenden Gewandhausorchester vor hat, wie sie sich so "verstehen" werden...
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Jetzt hatten sich beide - acht Monate vor Repušićs Inauguration - zum ersten Mal direkt "beschnuppert":
Die Wiederaufnahme von Verdis Otello (Premiere war 2022) bot sich hierfür als willkommener Anlass.
Monique Wagemakers, die holländische Regisseurin, konzentrierte sich bei ihrer Sicht der Dinge auf Desdemona, die sie dann gleich mal (völlig überflüssig) zu Beginn der Aufführung eine Art feministisches Statement herunterplappern ließ; die Stimme der Schauspielerin Anke Stoppa war hiermit zu hören, irgendwie ging es da um das emanzipatorische Grund- und Selbstverständnis einer Gattin des Gatten, dessen geradezu pathologischer Defekt ihr ein paar Stunden später zum Verhängnis werden sollte, denn der hocheifersüchtige Otello würgte sie, nachdem er all die intrigiellen Untreue-Einflüsterungen seines militärischen Untergebenen und Konkurrenten Jago für bare Münze nahm - quasi zu Tode. Gottlob veränderte die Wagenmakers den Schluss der Oper, indem sie Desdemona wiederauferstehen ließ, während kurz vorher ihr Mörder einen emotionalbestimmten Herzinfarkt kriegte und sodurch nicht mitbekam, dass er bei seinem Würgegriff vielleicht nicht kräftig genug zugedrückt hatte und sein Opfer sonach glückvoll mit dem Leben davon gekommen war... Mit Chor konnte die Regisseurin übrigens auch nicht, denn der stand (in der langweiligen Einheitskluft von Andrea Schmidt-Futterer) meistens nur so rum; und die außer dem gigantischen Schleiergemach im abschließenden Würge-Akt recht unauffällige und unspektakuläre Bühne von Dirk Becker machte auch nichts weiter her... Sei's drum.
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Schlussszene aus Otello an der Oper Leipzig | Foto (C) Kirsten Nijhof
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Aber nicht wegen Wagemakers Inszenierung war ich Samstagabend live vor Ort, sondern - wie längst erahnt - wegen Repušić. Und der machte einen derart tollen Eindruck, nicht nur auf mich, dass es beim Schlussvorhang, als er sich erstmals seinem "neuen" Leipziger Publikum zeigte, spontane Standing Ovations gab; gutes Omen also:
Das Gewandhausorchestere spielte superb! Das hörte man v.a. an den vielen leiseren und leisen Stellen (der Otello fängt ja ziemlich laut und wuchtig an), da konnten sich die Musikerinnen und Musiker dieses Weltspitzen-Klangkörpers so richtig schön ins Zeug legen; und alles "astrein" obendrein.
Nicht minder hörenswert Chor, Zusatzchor und Kinderchor der Oper Leipzig - Repušić zog, vom Tempo her, mitunter ziemlich an, d.h. auch, dass es Vorauseilen und/ oder Hinterherschleppen der Chöre hätte geben können, aber nichts dergleichen passierte; der Dirigent hielt die Massen gut zusammen.
Vom Cast her beeindruckte das Protagonistentrio mit Xavier Moreno (in der Titelrolle), Ivan Inverardi (als Jago) und Solen Mainguené (als Desdemona) - Letzterer gelang es, insbesondere bei ihrer großen Gebetsarie am Schluss der Oper, mit ihren immer aushauchenderen Pianissmen emotional zu überwältigen; so jenseitig abgehoben hatte ich das "Ave Maria" seltenst (oder noch nie) gehört, nichtmal bei Anja Harteros; grandios gestaltet und gesungen!!
Alles in allem:
Feuertaufe bestanden.
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Andre Sokolowski - 20. Januar 2025 ID 15112
OTELLO (Oper Leipzig, 18.01.2025)
Musikalische Leitung: Ivan Repušić
Inszenierung: Monique Wagemakers
Bühne: Dirk Becker
Kostüme: Andrea Schmidt-Futterer
Lichtdesign: Cor van den Brink
Video: Philipp Ludwig Stangl
Dramaturgie: Marlene Hahn und Kara McKechnie
Einstudierung Kinderchor: Sophie Bauer
Leitung Komparserie: Esther Maria Rose
Besetzung:
Otello ... Xavier Moreno
Jago ... Ivan Inverardi
Cassio ... Matthias Stier
Rodrigo ... Dan Karlström
Lodovico ... Randall Jakobsh
Montano ... Peter Dolinšek
Desdemona ... Solen Mainguené
Emilia ... Ulrike Schneider
Ein Herold ... Kwangmin Seo
Sprechstimme Desdemona: Anke Stoppa
Chor, Zusatzchor, Kinderchor und Komparserie der Oper Leipzig
Gewandhausorchester Leipzig
Premiere war am 17. Dezember 2022.
Wiederaufnahme war am 18. Januar 2025.
Weitere Termine: 25.01./ 02.02.2025
Weitere Infos siehe auch: https://www.oper-leipzig.de
https://www.andre-sokolowski.de
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