Verdis
Maskenball
im Einheits-
bühnenbild
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Musikalische Bewertung:
Das weltberühmte TEATRO COMUNALE DI BOLOGNA – nach den Entwürfen des Architekten und Bühnenbildners Antonio Galli da Bibbiena (1697-1774) erbaut - zählt zu den wichtigsten Opernhäusern Italiens, hier erlebten Verdi oder Rossini, die längere Zeit in Bologna lebten und/ oder arbeiteten, viele ihrer “nachgespielten” Opern live also vor Ort. Es fanden auch bedeutende italienische Erstaufführungen, beispielsweise Verdis Don Carlo (1867) oder Wagners Lohengrin (1871), statt; nach und nach entwickelte sich der Ort zu einer italienischen “Wagner-Stadt”, wegen des spektakulären Lohengrin-Erfolgs zog das Theater diesbezüglich mit dem Fliegenden Holländer, dem Tannhäuser, dem Tristan und dem Parsifal entsprechend nach… Aktuell hat es den RING im Repertoire, die Ukrainerin Oksana Lyniv (Generalmusikdirektorin seit 2022; die erste Frau überhaupt, die in Italien ein Opernhaus leitet) dirigiert ihn, und im Juni und Oktober sind die Premieren von Siegfried und Götterdämmerung (jeweils im Teatro Manzoni) angezeigt.
Seit 2020 wird der historische Altbau des Opernhauses generalsaniert – wie lange sich die umfangreichen Arbeiten erstrecken, lässt sich derzeit nicht konkret voraussagen. Die Restaurierung soll nach Selbstaussagen “die Funktionalität des Theaters verbessern und es zu einem neuen kulturellen Zentrum in Bologna machen”. Allein die Fundamente der Bühnenkonstruktion müssen, auch zur Vermeidung von Bränden, von Holz auf Beton umgebaut werden. Im Zuge der Renovierung im Innern des Hauses soll ebenso die Sicht von den Seitenkästen (Balkone in den Rängen) auf die Bühne deutlich verbessert werden.
Ein provisorischer Opernhaus-Ersatz musste her:
Im Februar 2023 wurde daher das “Comunale Nouveau” (im Design des Architekten Luigi Orioli) eingeweiht. Der Neubau an der Piazza della Costituzione wird das TEATRO COMUNALE DI BOLOGNA für die gesamte Dauer der Sanierung beherbergen.
Dortselbst waren wir jetzt, um die Wiederaufnahme von Verdis Un ballo in maschera – einer Koproduktion mit dem Teatro Regio di Parma (die dortige Premiere war im September 2024) – zu sehen und zu hören:
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Un ballo in maschera von Verdi – am Teatro Comunale di Bologna | Foto (C) Roberto Ricci
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Was das rein Szenische betrifft, bedarf es gutwilligermaßen einer etwas “eingeschränkteren” Bewertung, denn: Weder dass der überdimensionale Cinemascope-Guckkasten im neuen Comunale eine Drehbühne noch irgendwelche hydraulische Hub- und Senkvorrichtungen besitzt, was die v.a. technischen Voraussetzungen für eine allumfassende Bühnenausstattung wären. So haben wir es also lediglich mit einem Einheitsbühnenbild von Davide Signorini zu tun. Und selbiges besteht aus einer Rückwand aus vertikal angeordneten Paneelen, was wie eine Art hölzerne Abzäunung aussieht. Davor sind rechts, links sowie in der Mitte unterschiedlich hohe Podeste installiert, worauf die Protagonisten (in der durchaus akzeptabel personengeführten Inszenierung von Daniele Menghini) stehen oder sich bewegen können.
Gewählt wurde die sog. amerikanische “Zensur”-Fassung der Oper – die ursprüngliche Variante, die in Schweden spielt und den damaligen schwedischen König Gustav III. als tatsächlich bei einem Maskenball attentatierte Hauptfigur bestimmte (was, auch im Hinblick auf 1848/49, zu diplomatischen Verwicklungen zwischen Italien, Frankreich und Schweden hätte führen können), ist vom Inhalt her freilich die deutlich bessere und v.a. nachvollziehbarere; bei der von Verdi und seinem Librettisten Eugène Scribe nachgereichten “Zensur”-Fassung kommt man schnell mit den handelnden Personen und historischen (historischen?) Gegebenheiten durcheinander, sie ergibt, vom Text her, wenig oder keinen echten Sinn.
Demungeachtet agierten der Coro del Teatro Comunale di Bologna (Choreinstudierung: Gea Garatti Ansini) und die handverlesenen Solistinnen und Solisten stimmgewaltig und v.a. “auf den Punkt”; der Klang (und Zusammenklang!) des von Riccardo Frizza dirigierten Orchestra del Teatro Comunale di Bologna: eine einzige Wonne!!
Aus der solistischen Garde ragten Weltstar Fabio Sartori (als Riccardo) und sein Konterpart Amartuvshin Enkhbat (als Renato) erstklassig heraus. Die Sopranistin Maria Teresa Leva sprang kurzfristig für die an diesem Abend eigentlich vorgesehene Anastasia Bartoli (als Amelia) ein; sie machte das erstaunlich gut und wurde von Akt zu Akt immer besser. Bei Silvia Beltrami (als Wahrsagerin Ulrica) mangelte es an stimmlicher Durchschlagskraft, die extremen Tiefen ihrer Partie erklomm sie allerdings perfekt und gut. Eine koloratöse Verheißung sondergleichen: Silvia Spessot in der Hosenrolle des Oscars (in besagter Inszenierung statt als Page lediglich als Pagin umgedeutet).
Faktisch festzustellen bleibt:
Opern (nicht nur) von Verdi in Italien live erlebt haben zu dürfen, kommt einer nicht hoch genug zu preisenden Authentizitätserfahrung gleich.
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Andre Sokolowski – 15. April 2025 ID 15229
UN BALLO IN MASCHERA (Comunale Nouveau, 13.04.2025)
Musikalische Leitung: Ricardo Frizza
Regie: Daniele Menghini
Bühne: Davide Signorini
Kostüme: Nika Campisi
Licht: Gianni Bertoli
Besetzung:
Riccardo … Fabio Sartori
Renato … Amartuvshin Enkhbat
Amelia … Maria Teresa Leva
Ulrica … Silvia Beltrami
Oscar … Silvia Spessot
Silvano … Andrea Borghini
Samuel … Zhibin Zhang
Tom … Kwngisk Park
Erster Richter ...Cristobal Campos Marin
Coro del Teatro Comunale di Bologna
(Choreinstudierung: Gea Garatti Ansini)
Orchestra del Teatro Comunale di Bologna
Premiere in Parma (Festival Verdi) war im September 2024.
Wiederaufnahme in Bologna: 13. April 2025
Weitere Termine: 17., 19.04.2025
Eine Koproduktion des Teatro Comunale di Bologna mit dem Teatro Regio di Parma
Weitere Infos siehe auch: https://www.tcbo.it
https://www.andre-sokolowski.de
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