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Festival

Die Lust am

Monumentalen



Bewertung:    



Aida gehört zu Verona wie der Jedermann zu Salzburg. In der Neuinszenierung von Stefano Poda, der auch für Bühnenbild, Kostüme, Licht und Choreographie verantwortlich zeichnet, treten im Lauf von fast drei Monaten fünf Sängerinnen in Giuseppe Verdis populärer Oper auf. Eine davon ist Anna Netrebko. Was, wenn nicht dies, wäre ein Jubiläumssuperlativ zur 100. Ausgabe des Festivals in der berühmten Arena? Der Superstar bekam als einzige bei der Ansage vor der Ouvertüre Applaus. Wie weggeblasen sind die Bedenken wegen Netrebkos unklarer Haltung zu Putin. Was hier zählt, ist ihre Stimme.

Und wie steht es um die? Zu Beginn des Abends erinnert kaum noch etwas an den Zauber von Netrebkos Salzburger Donna Anna und Susanna. Dann aber, im dritten Akt, in der Arie "Qui Radamès verrà" und in den folgenden Duetten, läuft sie zu alten Qualitäten auf, mit strahlendem Klang in den Höhen und einem Timbre, das nichts zu wünschen übrig lässt. Allerdings war die Vorstellung am 2. August Maria Callas gewidmet, die im Dezembet 100 Jahre alt geworden wäre. Damit war die Latte, selbst für eine Netrebko, hoch gelegt. Auch muss man konzedieren, dass Olesya Petrova in der Rolle der Amneris ihrer Rivalin (in der Story) durchaus auf Augenhöhe begegnen konnte.

Klarer als zu Putin ist Netrebkos Verhältnis zu Yusif Eyvazov. Er ist ihr Mann, und seiner Protektion bedarf sie nicht. Sie protegiert, im Gegenteil, Eyvazov und bedingt sich seine Teilnahme aus, wenn sie selbst begehrt wird. So singt er diesmal in Verona an ihrer und anderer Aiden Seite den Radamès, im Wechsel mit wiederum vier anderen Radamèsen.

Aber was nützt das alles bei einer peinlichen Inszenierung, die, wie sooft, nichts von den großsprecherischen Tönen im Programmheft einlöst. Auf der ansteigenden glatten Bühne sieht man zahllose Hände auf Stangen, dahinter eine riesige zerborstene Säule und etwas, das aussieht wie das Wrack eines abgestürzten Flugzeugs. Ein überdimensionales Drahtgeflecht – in Verona ist alles monumental, das ist Teil der Attraktivität, die sich die Arena mit der Bregenzer Seebühne teilt – entfaltet sich zu fünf Fingern, die mehr als drei Stunden träge mit ihren Kuppen winken. Später kommen Laserstrahlen hinzu, Vögel mit Riesenschnäbeln und Tiermasken. Dann auch Leuchtröhrengymnastik mit Symmetriezwang. Das alles ist näher bei Cecil B. DeMille als bei Warlikowski, Konwitschny oder Wieler. Der demokratische Ansatz einer Oper für alle ist auch deshalb positiv zu bewerten, weil das „Volk“ in Verona sängerisch keineswegs mit zweiter Qualität abgespeist wird. Aber muss das in einer fernsehtauglichen Regie stattfinden?

Zum Triumphmarsch werden zehn Blechbläser auf halber Höhe der Arena beidseitig aufgestellt: Triumph auch des Stereoeffekts der fünfziger Jahre.

Ganz schief liegt man nicht, wenn einem faschistische Massenspektakel oder Albert Speers Lichtdom einfallen.

Viel Applaus gibt es auch für ziemlich dämliche Balletteinlagen. Die Massen von Tänzern schreiten, sorgfältig arrangiert, vor- und rückwärts oder fuchteln mit den erwähnten Leuchtröhren um sich. Schwachsinn von Massen wird freilich nur massenhafter Schwachsinn.

Thomas Rothschild - 4. August 2023
ID 14319
AIDA (Arena di Verona, 02.08.2023)
Musikalische Leitung: Marco Armiliato
Regie, Bühnenbild, Kostüme, Lichtdesign und Choreographie: Stefano Poda
Besetzung:
Il Re ... Simon Lim
Amneris ... Olesya Petrova
Aida ... Anna Netrebko
Radames ... Yusif Eyvazov
Ramfis ... Christian van Horn
Amonasro ... Amartuvshin Enkhbat
Un Messaggero ... Carlo Bosi
Una Sacerdotessa ... Daria Rybak
Tänzerinnen und Tänzer der Fondazione Arena di Verona
(Einstudierung: Gaetano Petrosino)
Chor der Fondazione Arena di Verona
(Einstudierung: Roberto Gabbiani)
Orchester der Fondazione Arena di Verona
Premiere war am 16. Juni 2023.
Weitere Termine: 18., 23.08./ 03., 08.09.2023


Weitere Infos siehe auch: https://www.arena.it/


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