Neue Musiken (in
unterschiedlichen
Besetzungen) für Sopran,
Kontrabass und Akkordeon
Claudia Herr, Arnulf Ballhorn und Felix Kroll beim HOF KLANG 2024
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Bewertung:
Der Architekt Steffen Kühn ist Initiator, Gründer und Veranstalter von HOF KLANG, einer alljährlich stattfindenden Reihe für zeitgenössische Musik, die es seit 2007 gibt. Angefangen hatte es in Leipzig in einer ehemaligen Pelzmanufaktur, 2013 wechselte sie nach Berlin, und dort war ich erstmals 2015 und zuletzt 2019 zugast - da wurde noch im sog. Innenhof MK 15 in der Michaelkirchstraße musiziert.
Nunmehr findet die Reihe in einem geschloss'nen Raum (im BOLD berlin.club) statt - und das schien mir, nach meinem ersten Besuch gestern Abend, dahingehend nicht die optimalste Lösung, weil halt a) dessen Akustik und b) die zu atmende Luft hierin mehr als gewöhnungsbedürftig sind; der Raum ist definitiv für solche Art Musik zu klein, zu niedrig, zu beengt. Aber egal; dass es den HOF KLANG weiter gibt, das ist das Allerwichtigste an sich.
Ja und so nutzte vor Konzertbeginn der Dirigent und Komponist Ekkehard Klemm (seines Zeichens auch Vizepräsident der Sächsischen Akademie der Künste), der eigens wegen des Konzerts aus Dresden angereist war, die Gelegenheit zu einem Vortrag, wo er auf die Anfänge vom HOF KLANG, den er seit dessem Bestehen mit Rat und Tat begleitete und unterstützte, abhob und zudem darauf verwies, dass auch zu Bachs oder zu Mendelssohns Zeiten deren Musik neu und zeitgenössisch war und man daher keine Berührungsängste haben soll, was heutzutage neue oder zeitgenössische Musik betrifft. Die aus Förderern und Sympathisanten bestehende Hörerschaft wird das als willkommenen Einstieg in das Folgende ermutigt haben...
Also, HOF KLANG 2024:
Was lief ab?
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Die Komponistin Juliane Klein (eine einstige Helmut-Lachenmann-Schülerin) hatte Textteile aus dem Gedicht Die Frühlingsfeier von Friedrich Gottlieb Klopstock genutzt, um sie, auch dessem faszinierender Phonetik wegen, in ihren 3 Liedern nach Klopstock für eine Singstimme zu bearbeiten; die ursprüngliche Fassung ist für Sopran und Klavier - eine nachgereichte Fassung für Sopran und Akkordeon (2006) kam jetzt und aktuell zur Aufführung. Ja und so lauschte ich der Sopranistin Claudia Herr - sie ist für mich, seit ich sie in fast jedem HOF KLANG, den ich je besuchte, singen sah, sowas wie die Roswitha Trexler der Nachwendezeit; Trexler galt in der DDR als die bedeutendste Instanz für die Darbietung vornehmlich ostdeutscher zeitgenössischer Musik - , die textverständlich Zeile um Zeile in teils hochartistisch seiender Manier so von sich gab:
"Hier steh ich.
Rund um mich ist Alles Allmacht!
Ist Alles Wunder!
Halleluja! Halleluja!
Auch der Tropfen am Eimer
Rann aus des Allmächtigen Hand!
Alles ist still vor dir, du Naher!
Rings umher ist Alles still!"
Felix Kroll zauberte aus seinem Akkordeon die virtuosesten und irrsten Töne hervor. Sehr, sehr beeindruckend.
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Danach stand Helmut Oehrings Sprech- und Instrumentalstück S. Plath (2007) auf dem Programm. Auch hier handelt es sich um eine nachkomponierte Fassung, konkret für Akkordeon und Kontrabass (statt für zwei Bratschen lt. der ersten oder Violoncello und Kontrabass lt. einer zweiten Fassung). Kroll und Arnulf Ballhorn (am Kontrabass) sprachen und musizierten demnach wechselseitig....
Dem Stück stellte der Komponist ein Zitat der 1963 (erst 30-jährig) sich durch Selbstmord aus dem Leben verabschiedet habenden Schriftstellerin Sylvia Plath voran:
"Oh, ich liebe das Jetzt, trotz all meiner Ängste und Vorahnungen, denn jetzt bin ich noch nicht endgültig geformt. Mein Leben fängt erst an. Ich bin stark. Ich sehne mich nach einer Sache, der ich meine Kräfte widmen kann."
Mit dem Luftgeist Ariel (aus Shakespeares Der Sturm) spielt außerdem diese Musik. Das war dann insbesondere die Aufgabe von Ballhorn, dass er dieses Luftige mit seinem Instrument assoziieren sollte.
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Es folgte Lotófagos (2007) von Beat Furrer. Die Herr brillierte hier mit lautspielerischen Einlagen, der Ballhorn assistierte ihr finessenreich an seinem Kontrabass - doch leider konnte ich dem Werk, außer hilflosester Bewunderung für dessen Darreichung, nichts weiter abgewinnen; ich verstand es einfach nicht.
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Humoristisch und also publikumswirksam kam dann schließlich Letter Piece des australischen Komponisten Matthew Shlomowitz herüber. Unsere Drei (Herr, Ballhorn, Kroll) mussten sich da, laut ihrer Partitur, performerisch-sportiv ins Zeug legen: kurz in die Knie gehen, kleine Ausfallschritte nach vorn und hinten, diverse Handbewegungen hin zum Gesicht (Augen- und Mundverdecken usw.) oder ähnliches. Dazu "äußerten" sie sich per Stimme oder Instrument, immer kurz und schmerzlos; und das alles sah doch ziemluch lustig aus und hörte sich entsprechend komisch an. Das eigentliche Highlight dieses zirka einstündigen Abends.
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Claudia Herr, Arnulf Ballhorn und Felix Kroll (v.l.n.r.) performten Letter Piece von Matthew Shlomowitz beim Hof Klang © 2024 im BOLD Berlin | Foto: KE
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Als Zugabe improvisierten sie zu dritt vor Noodles, einem Bild des Malers Michael Griesbeck, das der Veranstalter vor sich hinhielt und das, nach seiner Meinung, so aussah als wäre es eine Partitur; ja und auch das war außerordentlich originell.
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Andre Sokolowski - 12. September 2024 ID 14913
Hof Klang © 2024 (BOLD Berlin, 11.09.2024)
in der Michaelkirchstrasse 15, 10179 Berlin
Juliane Klein (*1966): 3 Lieder nach Klopstock (2006) Fassung für Sopran und Akkordeon
Helmut Oehring (*1961): S. Plath (2007) für Kontrabass und Akkordeon
Beat Furrer (*1954): lotófagos I (2006) für Sopran und Kontrabass
Matthew Shlomowitz (*1975): Letter Piece (2007) für Sopran, Kontrabass und Akkordeon
Claudia Herr, Sopran
Arnulf Ballhorn, Kontrabass
Felix Kroll, Akkordeon
Weitere Infos siehe auch: http://www.hofklang.de/
https://www.andre-sokolowski.de
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