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nachDRUCK # 5

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Uraufführung

Ticciatis

Schluss-

akkord



Bewertung:    



In der Haltbarkeitsliste der bisherigen Chefdirigenten des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin nimmt der im vorigen Monat offiziell aus seinem Amt geschiedene Robin Ticciati (41) einen guten Mittelplatz ein; sieben Jahre war er da und hätte auch, wenn er gewollt hätte, noch bis 2027 bleiben können - nun entschied er sich letztendlich gegen eine weitere Verlängerung seines Vertrages und wird sich seinem hochanspruchsvollen Posten bei der Glyndebourne Festival Opera, der er seit 2014 als Musikdirektor vorsteht, ungestört fortwidmen können. Zum Vergleich: Lorin Maazel hatte es 1964-1975 am längsten, und Ingo Metzmacher 2007-2010 am kürzesten beim DSO ausgehalten.

Gestern Abend stand er - jedenfalls für dieses zu Ende gehende Jahr - zum letzten Mal am Pult "seines" Orchesters; v.a. wollte er es sich nicht nehmen lassen, das sicherlich auch auf seine Initiative vom DSO in Auftrag gegebene Violakonzert von Mark Simpson (36) uraufzuführen.

Es trägt den nach einem rumänischen Sprichwort geratenen Titel Hold Your Heart in Your Teeth (dt.: "Halte dein Herz mit den Zähnen") - selbiger...



"...drängte sich [dem Komponisten] während der Arbeit auf. Er trägt das Rätselhafte, Geheimnisvolle manch volkstümlicher Redensarten in sich, die eigentümliche Aura, die man nicht fassen, aber wirken lassen kann. Jedenfalls hat er etwas mit Selbstbehauptung und Authentizität, mit der Spanne, dem Wirbel und dem Widerstreit von Gefühlen zu tun." (Habakuk Traber)


Das dreisätzige und weit über eine halbe Stunde andauernde Stück hat eine imposante Großartigkeit, und das nicht nur wegen seiner respekteinflößenden orchestralen Aufstellung.

Allein der Schlagwerkapparat wies Instrumente aus, die man ansonsten selten oder niemals zu Gesicht bekäme: Regenstab, Crotales, Bongos, Congas, Tempelblocks, Hihat, Sizzlebecken usf. - das alles ließ sich durchaus 'raushören und klang schon toll.

Von Anfang an war ich dem hörerischen Irrtum aufgesessen es mit einer Art von großer Sinfonie mit solistischer Viola-Begleitung zu tun gehabt zu haben. Falsch erkannt!

Denn der grandiose Bratschist Timothy Ridout (29) belehrte mich - vor allem mittels seiner atemberaubenden Virtuosität, die musikantisch auszuleben ihm schlussendlich das gesamte Werk bot resp. auferlegte - eines Besseren.

Trotz all des vielen orchestralen Tutti war es dem Solisten, immer wenn es "etwas leiser" wurde, gegönnt seine gottlob verhalten-einsame und fast schon introvertierte Sicht der Dinge in die Waagschale zu legen. Mitunter (wie ich mich im Nachhinein erinnere) gab es gar Stellen, wo er mutterseelenallein auf weiter Flur zu hören war.

So scheinbar kompliziert oder (besser:) komplex sich dieses ungestüme Großwerk mitteilte, barg es doch gleichsam einen klug gesetzten Unterhaltungsgrad in sich, der seine Hörer nicht zu überfordern drohte, sie im Umkehrschluss bei der Stange zu halten vermochte. Dementsprechend hoch schlug seinem Komponisten und den Ausführenden eine schier tsunamihafte Welle der Begeisterung entgegen; ungelogen.

Ja, dass Neue Musik so derart gut beim Publikum ankommt, ist selten.

Eine Sternstunde.




Der Bratschist Timothy Ridout war Solist des am 15. Dezember 2024 mit dem DSO Berlin uraufgeführten Violakonzerts von Mark Simpson | Foto (C) Jiyang Chen


Nach der Pause gab es auch noch Beethovens Eroica-Sinfonie.

*

Ich war gelegentlicher Ohren- wie Augenzeuge der Ticciati-Ära, während der mir insbesondere seine konzertanten Aufführungen von Rusalka und (noch mehr:) von Ethel Smyth' The Wreckers in Erinnerung blieben, aber auch sein hochspezielles Alpensinfonie-Projekt unter Hinzuziehung des Gesichts sowie der Stimme von Bergsteiger-Legende Reinhold Messner hatte so ein Unvergesslichkeitsmoment - dieses reihte sich übrigens dann ein in Ticciatis spektakuläre Stream- und Videoserie zur künstlerischen Kompensierung der seinerzeit wegen Corona erfolgten Hausschließungen, welche namentlich auch durch die Film-Reihe Im Exil - von Göttern und Menschen zusätzlich gekrönt sein sollte.

Eigentlich ganz schade, dass er geht.

Andre Sokolowski - 16. Dezember 2024
ID 15063
DEUTSCHES SYMPHONIE-ORCHESTER (Philharmonie Berlin, 15.12.2024)
Mark Simpson: Violakonzert Hold Your Heart in Your Teeth (UA)
Ludwig van Beethoven: Symphonie Nr. 3 Es-Dur Eroica
Timothy Ridout, Viola
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Dirigent: Robin Ticciati


Weitere Infos siehe auch: https://www.dso-berlin.de


https://www.andre-sokolowski.de

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