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Konzertkritik

In guter, alter

Rolls-Royce-

Manier

EIN DEUTSCHES REQUIEM
von Brahms


Bewertung:    



Die (lt. Postanschrift) in Freiburg im Breisgau administrativ ansässigen Balthasar-Neumann-Chor & -Orchester zählen zur Rolls-Royce-Kategorie der weltbesten Spezial-Musikensemble, die sich mit der sog. historischen Aufführungspraxis vorzüglich auskennen und sie als Grundlage für ihre Interpretationen nicht nur "Alter Musik", sondern auch weit darüber hinaus begreifen und nutzen; Monteverdi Choir & Orchestras (Gardiner), Les Arts Florissants (Christie) oder Collegium Vocale Gent (Herreweghe) lassen sich mit ihnen vergleichen - das Besondere dieser Ensemble ist, dass sie sich sowohl aus einem Chor als auch einem Orchester zusammensetzen, also stets auch als Gesamtwirkende in Erscheinung treten.

Thomas Hengelbrock (65) - ihn erlebte ich bisher nur einmal live, und zwar als Tannhäuser-Dirigent bei den Bayreuther Festspielen 2011 - gründete Balthasar-Neumann vor 33 Jahren.

Das Ensemble pflegt Residenzen in Hamburg, Baden-Baden, Fontainebleau, Havanna und Barcelona:


"Neben Konzertprogrammen, die erarbeitet und realisiert werden, entwickeln wir für jede Residenz ein nachhaltiges Konzept. Die Akademiearbeit findet parallel und in das kulturelle Leben der Residenz integriert statt, alle Musiker:innen sind in gesellschaftliche Konzerte oder Bildungsprojekte eingebunden. Auf diese Weise werden die Menschen vor Ort an Musik und Kultur herangeführt. Wir werden 'vertraut' miteinander und zu einem Teil des lokalen Kulturlebens.

'Das sind wesentliche Aktivitäten, um uns kulturell und sozial in der Mitte der Gesellschaft zu verankern. Sollte der Musikmarkt dauerhaft übersättigt und abgestumpft sein, müssen wir andere Wege finden, um das tiefe existenzielle Bedürfnis vieler Menschen nach Musik und Kunst zu stillen. All das scheint mittlerweile immer mehr Menschen bewusst zu werden. Jetzt brauchen wir dafür neue Denkweisen, Räume und Freiheiten.' (Thomas Hengelbrock)

Aus ökologischen Gründen ist es nicht mehr zu rechtfertigen, für nur ein Konzert in ein Land oder eine Stadt zu fliegen und sich dort über das Konzert hinaus nicht auch durch Austausch, Begegnung und Gemeinschaft zu engagieren. Der Balthasar-Neumann-Chor und das Balthasar-Neumann-Orchester verstehen sich als lebendige Lernplattform und Weiterbildungsprojekt – für unser Publikum und die Menschen in unseren Häusern sowie für unsere Musiker:innen."


(Quelle: balthasar-neumann.com)




Balthasar Neumann Choir | © Mina Esfandiari


Thomas Hengelbrock | © Mina Esfandiari


Balthasar Neumann Orchestra | © Mina Esfandiari


Am Montagabend gastierten sie mit Brahms' Ein deutsches Requiem in der Philharmonie Berlin.

Nun ist die deutsche Hauptstadt wahrlich nicht ungesegnet mit diesem Standard des klassischem Musikrepertoires. Vor einem Jahr, um ein Beispiel unter vielen zu erwähnen, führten Kent Nagano und das Deutsche Symphonie-Orchester die "Rekonstruktion der Fassung, die Brahms für die Bremer Aufführung am 10. April 1868 zusammengestellt hat – noch ohne den fünften Satz, aber mit eingefügten Sätzen von Bach" auf; der hörerische Mehrgewinn für den Konzertbesucher stellte sich dann allerdings nicht so ein, wie sich das Nagano und das DSO womöglich gedacht hatten, allenthalben die Mitwirkung der Audi Jugendchorakademie vermochte (mich) zu verblüffen.

Brahms auf historischem oder historisch nachempfundenem Instrumentarium und, sowieso, auf Darmsaiten musiziert zu bekommen, ist schon selten; ich selbst erlebte das Brahms-Requiem, derart gespielt, zuletzt vor zirka 14 Jahren im völlig überhitzten Théâtre des Champs-Élysées in Paris, Concerto Köln und Choeur Arsys Bourgogne führten es damals auf, und ich fand irgendwie überhaupt keinen Zugang...

Jetzt allerdings war ich berückt, betört, beglückt von so viel geistig wie emotional gut, um nicht zu sagen perfekt austarierter "Botschaft" mittels eines (um es noch mehr hochzutreiben) Idealklangs, den mir das Ensemble bot. Die Textverständlichkeit des Chores: sensationell. Seine Art zu singen: weder, dass "es" in seinem Drive über- noch unterstrapaziert zu klingen schien. Vom Orchester-Sound, der geradezu himmlisch war, ganz zu schweigen.

Gänsehaut.


Andre Sokolowski - 20. Februar 2024
ID 14617
EIN DEUTSCHES REQUIEM (Philharmonie Berlin, 19.02.2024)
Johannes Brahms: Ein deutsches Requiem op. 45
Eleanor Lyons, Sopran
Domen Križaj, Bariton
Balthasar-Neumann-Chor und -Orchester
Dirigent: Thomas Hengelbrock


Weitere Infos siehe auch: https://www.balthasar-neumann.com/


https://www.andre-sokolowski.de

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