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Konzertkritik

Aus der

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MARIENVESPER von Monteverdi mit der Gaechinger Cantorey


Bewertung:    



Erstaunlich ist es, genauer besehen, schon: Seit weit mehr als hundert Jahren haben die Möglichkeiten und die Perfektion von mechanischen, magnetischen und digitalen Tonaufzeichnungen und technischer Musikwiedergabe kontinuierlich zugenommen. Immer wieder wurde prophezeit, dass sich damit das Selbst-Musizieren über kurz oder lang erledigen werde. Die Prognose war ebenso falsch wie die Gewissheit, dass das Fernsehen den Kinofilm besiegeln werden. Landauf landab singen professionelle und Laienchöre zum Lob des Herren oder der schönen Heimat, klassisch und volkstümlich und keineswegs nur bei hoher Toleranz erträglich. Die Hausmusik, wie sie im 19. Jahrhundert praktiziert wurde, mag selten geworden sein, aber auch sie hat in konservativen bürgerlichen Kreisen überlebt. Anders aber als für sie, muss man für den Chorgesang kein teures Instrument erwerben und keine langwierige Ausbildung absolvieren.

Und es muss, auch zehn Tage vor dem Heiligen Abend, nicht immer der Messias oder das Weihnachtsoratorium sein. Die Gaechinger Cantorey, ein seit 70 Jahren, in wechselnder Besetzung, versteht sich, existierender und seit 2016 mit einem Orchester ergänzter hochkarätiger Chor mit Schwerpunkt auf der Barockmusik, den mit Gächingen so viel verbindet wie die Lyoner mit Lyon, hat sich diesmal im Ludwigsburger Forum am Schlosspark dem lange vergessenen Großmeister der Spätrenaissance Claudio Monteverdi und dessen Marienvesper – voller Titel: Vespro della Beata Vergine da concerto composta sopra canti firmi – zugewandt. Eine „Entdeckung“ ist sie nicht. Sie gehört jetzt schon seit geraumer Zeit zum Kernrepertoire der „Alten Musik“, und das zu Recht.

Hans-Christoph Rademann, seit 2013 in der Nachfolge von Helmuth Rilling Leiter der Internationalen Bachakademie und damit der Gaechinger Cantorey in Stuttgart, dirigiert, vom Saal aus gesehen, eher unspektakulär, fast ein wenig linkisch. Doch das täuscht. Er macht den Wechselgesang der einzelnen Formate der Marienvesper, eingeleitet von einer atemberaubenden Intonation des ersten Tenors, optisch wie akustisch transparent, die Soli, die Teilensembles, den sechsundzwanzigköpfigen Chor. Auf- und Abtritte einzelner Sänger*innen und Musiker*innen erleichtern die Orientierung (einer der Vorteile eines Konzerts gegenüber der Tonaufnahme). Die zu Lebzeiten Monteverdis beliebten vokalen und instrumentalen Echos erklingen wirkungsvoll von hinter der Bühne.

Namentlich genannt seien die durchweg hervorragenden, stilbewussten Solist*innen der Aufführung: die Soprane Miriam Feuersinger und Magdalene Harer, die Tenöre Jakob Pilgram, Georg Poplutz und Christopher Renz und die vom Komponisten eher stiefmütterlich eingesetzten Bässe Tobias Ay und Julián Millán, beide Mitglieder des Chors. So frisch, so uneitel kommt Kirchenmusik selten daher.

Zum Abschluss darf das Publikum mitsingen. Na ja, Weihnachten. Müsste aber nicht unbedingt sein.




Gaechinger Cantorey | Foto (C) Martin Förster

Thomas Rothschild - 15. Dezember 2024
ID 15057
MARIENVESPER (Forum am Schlosspark Ludwigsburg, 14.12.2024)
Claudio Monteverdi: Vespro della Beata Vergine SV 206
Miriam Feuersinger und Magdalene Harer, Sopran
Jacob Pilgram, Georg Poplutz und Christopher Renz, Tenor
Tobias Ay und Julián Millán, Bass
Gaechinger Cantorey
Dirigent: Hans-Christoph Rademann


https://www.bachakademie.de/de/gaechinger-cantorey.html


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