SYMPHONIKER HAMBURG - LAEISZHALLE ORCHESTER
Dirigent: Sylvain Cambreling
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Symphoniker Hamburg im Foyer der Laeiszhalle | Foto (C) J. Konrad Schmidt
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Die 1957 gegründeten Symphoniker Hamburg agieren - seit Eröffnung der Elbphilharmonie - als Residenzorchester der 1908 eingeweihten Laeiszhalle (vormals Musikhalle) am Johannes-Brahms-Platz. Somit funktioniert der bis 2016/17 jahrzehntelang als Haupt-Konzertstätte der Hansestadt gedient habende neubarocke Prachtbau in besonderer Exklusivität weiter. Es gibt zwar einen sowohl für die Elbphilharmonie als auch die Laeiszhalle administrativ zuständigen Generalintendanten - doch die konzeptionelle Neuausrichtung der "kleineren Schwester" wurde sozusagen ausgelagert und in die Verantwortung des israelisch-deutschen Theaterintendanten und -regisseurs Daniel Kühnel überführt; und er bestimmt seither als Intendant und Vorstand die Geschicke des Laeiszhalle-Orchesters. Spektakulär war/ ist z.B. das von ihm kreierte Martha Argerich Festival, welches (nach zweijähriger Corona-Zwangspause) im Juni dieses Jahres wieder zahlreiche Konzertbesucherinnen und -besucher in die Laeiszhalle strömen lassen wird.
Seit der Spielzeit 2018/19 ist Sylvain Cambreling Chefdirigent der Symphoniker Hamburg; zuvor war er (bis 2018) Generalmusikdirektor der Staatsoper Stuttgart und leitete (bis 2019) das Yomiuri Nippon Symphony Orchestra in Tokio.
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Laeiszhalle Hamburg | Foto (C) Thies Rätzke
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Am vergangenen Sonntag gab es ein als "Irdische Bodenwinde" übertiteltes Symphoniker-Konzert in der Hamburger Laeiszhalle zu erleben; Intendant Kühnel trat vors Publikum, um ihm die inneren und äußeren Zusammenhänge des Programms mit Werken von Haydn, Varèse und Mahler einigermaßen verständlich zu machen - und irgendwie (die insgesamte Stimmung im Saal war ohnehin wegen des mehr und mehr eskalierenden Ukrainekrieges, quasi vor unserer Haustür, eingetrübt und angespannt) war man geneigt seine sich manifestiert habende Hilflosigkeit emotional zu teilen; wo einem aktuell die Worte für das schrecklich Große um uns her abhanden zu kommen scheinen, ist der Orientierungslose dankbar für so "Strohhalme" mit schönem Kleinen wie Konzerten und Konzerterleben:
"Joseph Haydn beschreibt in der Einleitung seines legendären Oratoriums Die Schöpfung musikalisch die Ursuppe allen Seins. Aus einem gemeinsamen Ton des Orchesters entwickeln sich erste zaghafte Möglichkeiten eines neuen Raumes. Tastend, zögernd, versunken – wie der 'suchende' Beginn einer Mahler-Symphonie, doch aus der experimentellen Feder Haydns!
Ebenso ein Revolutionär war der französisch-amerikanische Komponist Edgard Varèse. Aufgrund einer depressiven Erkrankung war es dem 1883 in Paris Geborenen viele Jahre nicht möglich, überhaupt zu komponieren. Aus dem – hier im wörtlichen Sinne zu verstehenden – Sand tiefer Versunkenheit wiederkehrend, feierte Varèse mit Déserts 1954 seine 'Wiederauferstehung'. Zu diesem Anlass erklingen Glocken, bald kommen massive Bläsermomente hinzu, das ist der Anfang eines Skandalstückes, die Geburt einer neuen Klanglichkeit. Wie bei Haydn. Nur ganz anders.
Zur Entstehungszeit von Mahlers Das Lied von der Erde in den Jahren 1907 und 1908 las der Komponist Hans Bethges Gedichtsammlung Die chinesische Flöte. Gewissermaßen bildet das Werk die neunte Symphonie Mahlers, doch nahm er selbst Das Lied von der Erde aus dieser Zählung heraus. Von allen Facetten, Höhen, Tiefen, Traurigkeiten und Festen des Lebens ist hier die 'Rede'. Und das in einem für Mahler ungewohnten 'exotischen' Stil."
(Quelle: symphonikerhamburg.de)
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Bei den Klängen von Varèse, währenddenen ich die Augen schloss, war dieses von weit draußen über den Fernseher oder den Laptop oder das Handy bei mir Halt machende und/ oder "durchziehende" Kriegschaos fast schon körperlich präsent. Déserts ist eigentlich ein Anti-Kriegsstück; doch die alptraumhaften Vorstellungen, was Krieg und Gewalt real bedeutet bzw. bedeuten könnte, lassen sich bei diesem Stück nicht, keinesfalls verdrängen; keiner der Beteiligten wollte sich auszumalen wagen, als dieses Konzert geplant und vorbereitet wurde, welche Aktualität das Opus nach weit mehr als 60 Jahren plötzlich wieder hat!
Und bei Mahlers Lied von der Erde - nach der Pause - tat sich bei mir der Vergleich zur viel, viel "stilleren" und "leiseren" Darreichung dieses Werkes auf, als es durch das Orchester in 2020 (während des ersten Corona-Lockdowns) intermedial gestaltet wurde; da wählte es die Schönberg'sche Fassung für 12 Instrumentalisten, und der vom Kunstlied kommende Daniel Behle sang die drei Tenor-Lieder. - - Jetzt stand das Werk in seiner üppigen Originalbesetzung (mit dem vorzüglich disponierten Heldentenor Michael König und dem ums stimmliche Meistern insbesondere der auslaufenden und leiseren Stellen seines "Abschieds" besorgten Michael Volle) zur Debatte. Die Empathie der Musikerinnen und Musiker teilte sich zwingend mit, die Textverständlichkeiten waren superb, und Cambreling wirkte zurecht zufrieden und erleichtert, als "sein" Mahler endete.
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Sylvain Cambreling | Foto (C) Martin Siegmund
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Andre Sokolowski - 1. März 2022 (2) ID 13492
SYMPHONIKER HAMBURG (Laeiszhalle, 27.02.2022)
Joseph Haydn "Die Vorstellung des Chaos", aus dem Oratorium Die Schöpfung Hob XXI:2
Edgar Varèse: Déserts für Bläser, Klavier, Schlaginstrumente und Tonband
Gustav Mahler: Das Lied von der Erde
Michael König, Tenor
Michael Volle, Bariton
Symphoniker Hamburg
Dirigent: Sylvain Cambreling
Weitere Infos siehe auch: https://www.symphonikerhamburg.de/
https://www.andre-sokolowski.de
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