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Premierenkritik

Zwischen

Monumentalität

und Meditation



Echnaton von Philip Glass an der Komischen Oper Berlin | Foto (C) Monika Rittershaus

Bewertung:    



Philip Glass’ Oper Echnaton ist mehr als ein Musiktheater – es ist ein hypnotischer Klangstrom, ein Ritual, das sich zwischen Minimalismus und großer Form bewegt. In der Neuinszenierung von Barrie Kosky wagt sich die Komische Oper Berlin an dieses eindringliche Werk und setzt dabei auf Abstraktion und Bewegung. Doch kann Koskys Regie den intensiven Sog von Glass’ Komposition einfangen?

Die Musik: Ein gespieltes Mantra.

Glass’ Minimal Music ist berühmt für ihre endlosen Wiederholungen, kleinste harmonische Verschiebungen und rhythmische Muster, die sich wie Glieder einer Kette ineinanderfügen. Gerade Echnaton wirkt dabei weniger wie eine klassische Oper als vielmehr wie ein gesungenes Mantra – eine Art musikalische Meditation. Das Orchester der Komischen Oper Berlin unter der Leitung von Jonathan Stockhammer meistert diese Herausforderung beeindruckend. Besonders bemerkenswert ist der Klang des Orchesters ohne Violinen, was der Musik eine archaische Tiefe verleiht. Chor und Instrumentalisten erzeugen einen hypnotischen Sog, der die Zeit aufzulösen scheint.

Die Inszenierung: Zwischen Abstraktion und Unentschlossenheit.

Kosky, bekannt für seine bildgewaltigen Arbeiten, setzt hier zunächst auf Reduktion. Die Eröffnungsszene – das Begräbnis von Amenophis III. – spielt in einer kargen weißen Box. Die Bewegungen des Chors sind stilisiert, fast wie eine Choreografie. Doch mit zunehmender Dauer nutzt sich dieses Konzept ab. Während Glass’ Musik durch minimale Variationen lebendig bleibt, wirkt Koskys Bühnenästhetik irgendwann statisch.

Statt die Ambivalenz der historischen Figur Echnaton herauszuarbeiten – war er ein visionärer Reformer oder ein dekadenter Herrscher? – bleibt die Regie in einer eigentümlichen Schwebe. Mal wirkt Echnaton wie eine fast sakrale Figur, dann wieder karikaturesk. Seine Kostümierung (durch Klaus Bruns) – mal in königlichem Prunk, mal in lila Anzügen oder Kleidern – verwirrt mehr als sie interpretiert. Gerade hier hätte man mehr Klarheit erwartet.

Die Sänger: Licht und Schatten.

Countertenor John Holiday in der Titelrolle liefert eine starke gesangliche Leistung, doch es fällt schwer ihn als machtvollen Pharao zu akzeptieren. Seine Stimme schwebt mit faszinierender Leichtigkeit durch die Höhen, aber die szenische Umsetzung bleibt blass. Besser gelingt es Susan Zarrabi als Nofretete, emotionale Tiefe in ihre Partie zu bringen – besonders in den Duetten mit Echnaton entstehen Momente großer Intensität.

Fazit: Ein musikalischer Triumph, eine inszenatorische Gratwanderung.

Glass’ Echnaton bleibt ein faszinierendes Werk, das zwischen spiritueller Klangwelt und historischer Erzählung changiert. Die musikalische Umsetzung überzeugt – Orchester, Chor und Solisten bewältigen die komplexe Partitur meisterhaft. Koskys Inszenierung hingegen bleibt ambivalent: Zwischen abstrakter Bewegungschoreografie und realistischen Elementen (wie dem mit dem Leichenwagen in der Begräbnisszene) wirkt sie unausgegoren.

Wer sich ganz auf Glass’ Klangwelt einlassen will, erlebt einen hypnotischen Abend – wer jedoch auf eine stringente szenische Interpretation hofft, könnte enttäuscht sein.



Echnaton von Philip Glass an der Komischen Oper Berlin | Foto (C) Monika Rittershaus

Steffen Kühn – 16. März 2025
ID 15189
ECHNATON (Schiller Theater, 15.03.2025)
Oper von Philip Glass

Musikalische Leitung: Jonathan Stockhammer
Inszenierung: Barrie Kosky
Bühnenbild und Licht: Klaus Grünberg
Ko-Bühnenbildnerin: Anne Kuhn
Kostüme: Klaus Bruns
Dramaturgie: Daniel Andrés Eberhard
Chöre: David Cavelius
Besetzung:
Echnaton … John Holiday
Nofretete … Susan Zarrabi
Königin Teje … Sarah Brady
Horemhab … Noam Heinz
Hohepriester des Amun … Stefan Cifolelli
Aye … Tijl Faveyts
Der Schreiber (Chronist) … Peter Renz
Tänzerinnen und Tänzer: Danielle Bezaire, Martina Borroni, Claudia Greco und Benjamin Gericke, Shane Dickson, Danilo Brunetti, Andrii Zubchevskyi
u.a.
Vocalconsort Berlin
Chorsolisten und Orchester der Komischen Oper Berlin
Premiere an der Komischen Oper Berlin: 15. März 2025
Weitere Termine: 21., 23., 28.03./ 05., 11., 18., 20.04.2025

Weitere Infos siehe auch: https://www.komische-oper-berlin.de


Post an Steffen Kühn

http://www.hofklang.de

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