Fidelio und
das Dilemma
der Deutschen
Oper Berlin
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Ingela Brimberg als Fidelio an der Deutschen Oper Berlin | Foto (C) Bernd Uhlig
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Bewertung:
Zwanzig Jahre sind vergangen, seit der glücklose DOB-Intendant Udo Zimmermann mit der von ihm angesetzten Fidelio-Produktion seinen Rücktritt auslöste. Eine mutige Interpretation (Regie: Christof Nel) und eine gescheiterte musikalische Leitung durch Heinrich Schiff hatten das Publikum nicht nur zu Buhs, sondern auch zu lautstarken Absetzungsrufen veranlasst. Auch Götz Friedrich war 1984 mit seiner Inszenierung gescheitert. Einzig die Inszenierung zum 50-jährigen Jubiläum der Deutschen Oper anno 1962 sollte von Erfolg gekrönt sein. Die Erwartungen an die gestrige Premiere waren dementsprechend hoch.
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Die Geschichte der todesmutigen Leonore, die ihren aus politischer Willkür inhaftierten Mann aus der Gefangenschaft befreit und damit einen politischen Umsturz auslöst, hat ihren Ursprung in der Französischen Revolution. Beethoven hat sich die zehnjährige Arbeit an seiner Oper nicht leicht gemacht und einen Kosmos verschiedener Elemente geschaffen. Elemente deutscher Spieloper, Arien von romantischer Innerlichkeit, Orchesterzwischenspiele von narrativer Tiefe leiten ein symphonisches Ende mit großem Choreinsatz ein. Seine revolutionäre Vorstellung von Musiktheater sprengt, die damals üblichen Formen. Leonores Weg in die Tiefen des Kerkers wird von existenzieller Musik begleitet.
Donald Runnicles und das Orchester der Deutschen Oper Berlin verpassen leider den richten Beginn. Die zarte aber innerlich dynamische Ouvertüre kommt unmotiviert daher. Handwerklich stören die Kiekser im Blech. Leider hat der Spruch „Du hast keine Chance für einen zweiten ersten Eindruck“ viel Wahrheit. Das Orchester arbeitet sich nur mühsam aus dem selbst geschaffenen Tal heraus. Sua Jo als Marzelline überstrahlt die Qualität der Musik und kann gemeinsam mit Albert Pesendorfer als Rocco viel Licht in die Inszenierung bringen. Das Bühnenbild und die Ausstattung von Johannes Schütz ist zurückhaltend und schlicht und arbeitet mit der ständigen Präsenz des Kerkers schon im ersten Teil. Ingela Brimberg als Fidelio und Leonore spielt und singt kraftvoll, ganz im Sinn einer todesmutigen und unerschrockenen Frau. So weit so gut, bis ihr Ehemann Florestan, gesungen Robert Watson, auftaucht. Spielerisch erträglich scheitert er leider an der musikalischen Aufgabe und kann mit seiner dünnen kraftlosen Stimme nicht den Ansatz eines mutigen Freiheitskämpfers erwecken. Der von Jeremy Bines sehr gut einstudierte Chor der Deutschen Oper Berlin bringt Lichtblicke, wird allerdings im symphonischen Schluss von Donald Runnicles allzu gejagt. Transparenz, Schattierungen gehen so verloren - und ja, man fühlt sich wirklich um den Abend gebracht.
Das Publikum reagiert unterschiedlich. Viele Buhs für das Inszenierungsteam, so dass es sich beim zweiten Applaus nicht mehr auf die Bühne getraut. Begeisterung dagegen für Ingela Brimberg und vor allem für Albert Pesendorfer und die bezaubernde Sua Jo.
Die Deutsche Oper Berlin hat ein anhaltendes Problem mit Beethovens Fidelio.
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Robert Watson (als Florestan) und Ingela Brimberg (als Leonore) in Fidelio an der Deutschen Oper Berlin | Foto (C) Bernd Uhlig
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Steffen Kühn - 26. November 2022 ID 13930
FIDELIO (Deutsche Oper Berlin, 25.11.2022)
Musikalische Leitung: Sir Donald Runnicles
Inszenierung: David Hermann
Bühne und Kostüme: Johannes Schütz
Licht: Ulrich Niepel
Chöre: Jeremy Bines
Dramaturgie: Carolin Müller-Dohle
Besetzung:
Don Fernando ... Thomas Lehman
Don Pizarro ... Jordan Shanahan
Florestan ... Robert Watson
Leonore ... Ingela Brimberg
Rocco ... Albert Pesendorfer (statt Tobias Kehrer)
Marzelline ... Sua Jo
Jaquino ... Gideon Poppe
Erster Gefangener ... Kieran Carrel
Zweiter Gefangener ... Artur Garbas
Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin
Premiere war am 25. November 2022.
Weitere Termine: 30.11./ 03., 18.12.2022// 07., 14.01./ 22., 26.02.2023
Weitere Infos siehe auch: https://deutscheoperberlin.de/
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