Keine
Pfefferkuchen,
nirgends.
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Susan Zarrabi und Alma Sadé als Hänsel und Gretel an der Komischen Oper Berlin | Foto (C) Jan Windszus Photography
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Bewertung:
Dagmar Manzel ist ein über ganz Deutschland weit hinaus bekannter Film-, Theater-, Operetten- und Musicalstar. Wer kennt sie nicht?! Auch Barrie Kosky wusste oder ahnte das bereits, als er sie nach und nach mit den spektakulärsten Paraderollen während seiner Intendanten-Ära an der KOB besetzte; und wir erinnern uns mit allergrößter Lust an ihre Kate (in Kiss me Kate 2008), ihre Josepha Vogelhuber (im Weißen Rössl 2010), ihre Golde (in Anatevka 2017), ihre zwei Anna's (in den Sieben Todsünden 2012), ihre Madeleine de Faublas (im Ball im Savoy 2013), ihre Frau, die weiß, was sie will (2015), ihre Cleopatra (2016) oder ihren Pierrot Lunaire (2020).
Sie war und bleibt die insgeheime Muse vom Kosky, und jüngst legte sie dann noch mit Mrs. Nellie Lovett (in Sweney Todd) nach; das bliebe uns noch nachzuholen, falls es irgendwann mit ihr wieder gespielt würde.
Und so nahm es nicht Wunder, dass dem Kosky plötzlich einfiel, dass sie ruhig mal selber inszenieren könnte - gesagt, getan: Mit Pippi Langstrumpf debütierte sie 2022 überaus erfolgreich als Regisseurin.
Ja und gestern Abend feierte sie im Schillertheater (der Ausweichspielstätte der Komischen Oper Berlin) einen weiteren Regisseurinnen-Triumph mit Humperdincks Hänsel und Gretel. Ihr selbst - und natürlich sämtlichen Mitwirkenden der Premierenvorstellung - lag das Publikum zu Füßen; der Applaus wollte und wollte nicht enden...
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"Abendsegen" in Hänsel und Gretel an der Komischen Oper Berlin (Inszenierung: Dagmar Manzel) | Foto (C) Jan Windszus Photography
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Manzels Inszenierungsansatz liest sich (im Programmheft) etwas kompliziert. Sie verweist da beispielsweise "auf die fantastischen Bilder aus dem Voynich-Manuskript 'Das eudämonische Amulett'" - wer kennt es nicht? :-)
"Interessant am Voynich-Manuskript ist der künstlerische Aspekt: das Schriftbild, die Zeichnungen, die es so rätselhaft wunderschön, einmalig und unentschlüsselbar machen. Es ist faszinierend, dass Menschen seit Jahrhunderten versuchen, dieses Buch zu enträtseln und daran scheitern. Vielleicht kann man es auch gar nicht enträtseln. Es gibt viele Theorien darüber, aber mich haben insbesondere diese Illustrationen von Blüten, die so in der Natur nicht vorkommen, oder von kleinen, nackten Jungfrauen, die irgendwelche Gedärme runterrutschen, wahnsinnig fasziniert. [...] Es geht im Voynich-Manuskript um Sternbilder, um Heilmedizin, Pflanzen und Wurzeln. In der Natur, der Biologie und Chemie, Physik oder Astronomie, selbst im Inneren des menschlichen Körpers entstehen Bilder, die von einer unglaublichen Faszination und Schönheit sind und denen man als Normalsterbliche nie begegnet."
Einiges davon [s.o.] wäre, hätten es die Regisseurin und ihre beiden Ausstatter Korbinian Schmidt & Victoria Behr so umgesetzt, horrorladenmäßig 'rübergekommen, und das hätte vielleicht nicht nur uns Erwachsenen sondern vor allem den Kindern sicherlich gefallen - doch das Team beschränkte sich vor allem auf jene die gesamte Bühne geradezu riesenhaft bestimmt habenden "Blüten, die so in der Natur nicht vorkommen", was visuell durchaus gelang.
Zudem bewegte sich - wie in den früheren sowjetischen Märchenfilmen - das goldfarbene (?) Hexenhaus auf zwei Hühnerbeinen; es fehlten allerdings und hochbedauerlicherweise die es umkleidenden Pfefferkuchen, und so gesehen war auch nicht ganz einleuchtend, weshalb sich Susan Zarrabi & Alma Sadé (als Hänsel & Gretel) für diese Immobilie interessiert haben wollten - das angebliche Zucker-, Nasch- und Schleckerwerk mussten sie sich erst aus goldplastenen Verpackungen umständlich herausklauben; abe egal.
Die insgesamte Optik überzeugte, auch ohne Kenntnis ihres kopflastigen Überbaus.
Außer dem Protagonistenpärchen Zarrabi & Sadé bestach der weltweit gefragte Opern- und Liedsänger Daniel Kirch als großtantig "aufgespritzte" Knusperhexe - er gab hier seinem Affen so richtig Zucker; und wir staunten nicht schlecht über diese neue Facette, die er darstellerisch so drauf hat.
Auch gut: Ulrike Helzel & Günter Papendell (das ungleiche Elternpaar; sie im unliebsamen Stiefmutter-Modus, er als sympathischer Gelegenheitstrinker angelegt).
Julia Schaffenraths helllichter Koloratursopran betörte in der Doppelpartie des Sand- und Taumännchens.
Und Manni Laudenbach (der Oscar Mazerath in Tobias Kratzers Bayreuther Tannhäuser-Inszenierung) führte - zusammen mit der kleinen Wilma Hermine Rummel - als komödiantischer Zeremonienmeister durch den zweieinhalbstündigen Premierenabend.
Die taiwanesiche Dirigentin Yi-Chen Lin hielt das musikalische Zepter souverän in ihrer Hand. Unter ihrer Leitung musizierte das Orchester der Komischen Oper erwartbar rein und fein.
Christoph Jones choreografierte zig Tanz- und Balletteinlagen sowohl für Erwachsene als auch für Kinder [alle Beteiligten s.u.].
Dem Kinderchor der Komischen Oper Berlin (Einstudierung: Dagmar Fiebach) oblag der sog. "Dessauer Schluss" der Oper; den sang er eindrucksvoll und schön.
Jubel über Jubel, wie bereits erwähnt.
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Andre Sokolowski - 26. Januar 2025 ID 15119
HÄNSEL UND GRETEL (Schillertheater, 25.01.2025)
Musikalische Leitung: Yi-Chen Lin
Inszenierung: Dagmar Manzel
Bühnenbild: Korbinian Schmidt
Kostüme: Victoria Behr
Choreografie: Christoph Jonas
Dramaturgie: Sophie Jira
Kinderchor: Dagmar Barbara Fiebach
Licht: Olaf Freese
Besetzung:
Peter, Besenbinder ... Günter Papendell
Gertrud, Mutter ... Ulrike Helzel
Hänsel ... Susan Zarrabi
Gretel ... Alma Sadé
Knusperhexe ... Daniel Kirch
Sandmännchen/ Taumännchen ... Julia Schaffenrath
Komödiant ... Manni Laudenbach
Fliegende Hexe/ Engel ... Paulin Raatz
Tänzerinnen und Tänzer: Brittany Young, Lauren Mayer und Claudia Greco sowie Michael Fernandez, Daniel Daniela Ojeda Yrureta, Lorenzo Soragni und Kai Chun Chuang
Tanzschülerinnen der TanzZwiEt – School – Company
Kinderchor und Orchester der Komischen Oper Berlin
Premiere an der Komischen Oper Berlin: 25. Januar 2025
Weitere Termine: 01., 02., 21.02./ 09., 18., 20., 24.03./ 13., 21.04.2025
Weitere Infos siehe auch: https://www.komische-oper-berlin.de
https://www.andre-sokolowski.de
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