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Premierenkritik

Langweilig



Händels Hercules an der Komischen Oper Berlin | Foto (C) Monika Rittershaus

Bewertung:    



Regisseur Barrie Kosky mag Händels Oratorien mehr als dessen Opern, daher hatte er auch schon den Belshazzar, den Saul oder die Semele (als Quasi-Opern) inszeniert.

Jetzt kam der Hercules dazu, dessen Premiere vorgestern im Schillertheater, der temporären Ausweich-Spielstätte der Komischen Oper Berlin, stattfand.

Das Werk, so wie zu lesen ist, fiel seiner Zeit krachend durch. Seine 1745er Uraufführung hätte demnach unter keinem guten Stern gestanden:


"Einer plötzlich verfügbaren Star-Altistin schrieb Händel zwar flugs noch mehrere Arien auf den Leib, bei der Premiere aber fiel sie krankheitsbedingt aus. Nachdem der für die Rezitative einspringende Kollege auch noch heiser war, konnte der tragischen Geschichte niemand mehr folgen. Die Premiere wurde ein Flop. Da Hercules ursprünglich im Theater als Oratorium ohne Bühnenhandlung aufgeführt wurde und den Übergang in die Kirche und den Konzertsaal nicht erfolgreich schaffte, wurde erst im 19. Jahrhundert die dramatische Kraft des Werks für die Bühne neu entdeckt." (Quelle: Pressemitteilung der KOB)


Es geht um Liebe, Eifersucht und Mord. Und das dramatische wie dramaturgische Zentrum dieses von Händel selbst als "new musical drama" kategorisierten Opus ist nicht etwa der Titelheld, sondern seine vor Eifersucht geradezu schäumende Gattin Dejaniras; sie muss im Umkehrschluss die meisten und auch halsbrecherischsten Arien absolvieren - Kosky hatte da auf eine seiner aktuellen Lieblingssängerinnen, der irischen Mezzosopranistin Paula Murrihy, zurückgreifen wollen; sie sang diese Partie auch schon bei der Frankfurter Premiere im April des letzten Jahres.


"Im Zentrum des Geschehens steht also eigentlich nicht der Titelheld Hercules, sondern dessen Gattin Dejanira. Das Warten auf die Rückkehr ihres geliebten Hercules von seinen Eroberungszügen hat sie schier in den Wahnsinn getrieben. Als er endlich heimkehrt, kann Dejanira nicht glauben, dass ihr Mann Iole, die Tochter des besiegten Königs, ohne Hintergedanken mit an den heimatlichen Hof gebracht hat. Dejaniras Eifersucht ist zwar grundlos, doch versucht sie die Liebe ihres Mannes – die sie nie verloren hat! – mit einem Geschenk wieder zu gewinnen. Das kostbare Gewand aber, das ihr ein Zentaur untergeschoben hat, ist vergiftet und Hercules erleidet einen qualvollen Tod. Dejaniras und Hercules’ Sohn Hyllus hingegen findet in der Liebe zu Iole das große Glück." (dto.)


So weit, so gut.

*

Kollektiver Star des Abend waren sowohl die Chorsolisten als auch das Orchester der Komischen Oper Berlin, welches durch solche Alte-Musik-Koryphäen wie Kleif Carnarius (Solocello), Jesper Ulfenstedt (Kontrabass), Max Hattwich & Neo Gundermann (Theorben) oder Rita Herzog (Cembalo und Orgel) "authentisch" bereichert wurde; einstudiert und dirigiert hatte der fürs Barocke altbewährte und -bekannte David Bates.

Gesungen wurde solide bis außerordentlich: Dass - für meinen persönlichen Geschmack - Penny Sofroniadou (als Dejaniras' Konkurrentin Iole) weitaus klangschöner herüberkam als Koskys Favoritin, mag vielleicht daran gelegen haben, dass die Auserwählte insbesondere nach der Pause mit ihrer bis dahin verblüffenden und glänzenden Stimmakrobatik relativ am Ende war; sie klang dann "nur noch" aufgebraucht und stellenweise fast vulgär.

Auch Caspar Singh (als Hercules' Sohn Hyllus), Susan Zarrabi (als Hercules' Schwester Lichas) und Noam Heinz (als Jupiterpriester) gefielen, wie soeben angedeutet, außerordentlich.

Die Inszenierung beschränkte sich auf akzeptable und zumeist stimmige Personenführungen; der Chor musste, außer zu singen, auch noch im Choreografischen gefordert werden, und dann fuchtelte er allzu sehr mit seinen vielen, vielen Händen rum.

Das karge Bühnenbild von Katrin Lea Tag mit lediglich 'nem Sofa und 'ner Zeus-Skulptur (die vor der Pause saß und nach der Pause stand): kleinlich und kläglich.

Aber dem Publikum schien alles insgesamt mehr als gut gefallen zu haben.

Mir nicht.

Der langweiligste Kosky, den ich jemals sah.



Händels Hercules an der Komischen Oper Berlin | Foto (C) Monika Rittershaus

Andre Sokolowski - 5. März 2024
ID 14647
HERCULES (Schillertheater, 03.03.2024)
von Georg Friedrich Händel

Musikalische Leitung: David Bates
Inszenierung: Barrie Kosky
Bühnenbild und Kostüme: Katrin Lea Tag
Dramaturgie: Johanna Wall
Chöre: David Cavelius
Licht: Joachim Klein
Szenische Einstudierung: Tobias Ribitzki
Besetzung:
Hercules ... Brandon Cedel
Dejanira ... Paula Murrihy
Iole ... Penny Sofroniadou
Hyllus ... Caspar Singh
Lichas ... Susan Zarrabi
Priester des Jupiter ... Noam Heinz
Chorsolisten, Orchester und Komparserie der Komischen Oper Berlin
Premiere an der Oper Frankfurt: 30. April 2023
KOB-Premiere: 3. März 2024
Weitere Termine: 10., 17., 19., 23., 29.03.2024
Koproduktion mit der Oper Frankfurt


Weitere Infos siehe auch: https://www.komische-oper-berlin.de


https://www.andre-sokolowski.de

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