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Premierenkritik

Was noch mit

Elektra

geschah



Jeremy Ovenden als Idomeneo (ziemlich weit unten im Bild) an der Staatsoper Stuttgart | Foto (C) Matthias Baus

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Fast hat man es vergessen: Die Stuttgarter Oper kann auch Mozart. Sie hat sich, nach 16 Jahren, für eine Neuproduktion von Idomeneo entschieden. Regie führte Bastian Kraft, der am Ort mit Rusalka debütiert hat, am Dirigentenpult steht der Generalmusikdirektor Cornelius Meister, der, wenn wir das von hinten richtig wahrgenommen haben, gerade seine Haare länger wachsen lässt.

Dass der Krieg grausam ist und Opfer kostet, ist eine zwar gerade wieder aktuelle, wenn auch nicht sonderlich überraschende Wahrheit. Mozart und sein Librettist Giambattista Varesco informieren die Opernbesucher, dass der tot geglaubte kretische König Idomeneo aus dem tosenden Meer heimgekehrt ist für einen Preis, den zu diesem Zeitpunkt weder die Figuren der Oper, noch die Zuschauer kennen, sofern sie nicht einen Opernführer gelesen haben, nämlich für das Versprechen eines Menschenopfers an Neptun. Soweit Agamemnon und Iphigenie.

Keine gute Aussicht also. Aber am Ende siegt die Menschlichkeit, die sogar den Meeresgott Neptun zur Milde bewegt. Triefend und versöhnlich steigt er aus dem Wasser empor. Ein Hauch von Sarastro und Bassa Selim. Ivan Nagels genialer Essay trug den Titel Autonomie und Gnade.

Bastian Kraft setzt eher auf eine strenge als eine ausufernde Regie, und das geht hervorragend auf. Er entwirft ein technisch perfektes, illusionistisches Schattentheater, bei dem man sich fragt: wie macht er das bloß? Szenisch – sagen wir es offen – gibt das Libretto ja nicht viel her. Es ist noch näher an den vorausgegangenen schematischen Barockopern als an Mozarts eigenen Da-Ponte-Opern und seinen „Deutschen Opern“.

Die Titelfigur interpretiert mit eindrucksvollen Höhen Jeremy Ovenden. Die musikalische Sensation des Abends aber ist das Frauentrio: Lavinia Bini als die trojanische Prinzessin Ilia, Diana Haller, die seit ihrer Cenerentola zu den treuen Topstars des Stuttgarter Ensembles zählt, als Elektra, die bei Mozart Elettra heißt, und der Neuzugang Anett Fritsch, der mit betörender Unbeirrbarkeit die Kastratenrolle des Königssohns Idamante (die besseren Kreise bleiben, verfeindet oder befreundet, unter sich) singt und, im engsten Sinn des Wortes, „spielt“. Man kann nur hoffen, dass die Stuttgarter Oper diese außerordentliche Künstlerin zu halten vermag.

Cornelius Meister dirigiert, dem grimmigen kriegerischen Stoff zum Trotz, bei dem die Option des Mordes nie aus der Sicht gerät, einen lyrischen, fast sentimentalen Mozart. Das Henkerbeil über der Bühne, das man auch als Streitaxt interpretieren kann, bleibt Behauptung, die von der Musik allenfalls taktweise eingelöst wird. Die erstaunliche Qualität von Meisters sich dem Ende zuneigender Arbeit mit dem Staatsorchester lässt sich unter anderem an dem anhaltenden Applaus schon vor der Pause ablesen.




Mozarts Idomeneo an der Staatsoper Stuttgart - v.l.n.r.: Lavinia Bini (als Ilia), Jeremy Ovenden (als Idomeneo) und Anett Fritsch (als Idamante) | Foto (C) Matthias Baus

Thomas Rothschild - 25. November 2024
ID 15028
IDOMENEO (Staatsoper Stuttgart, 24.11.2024)
Musikalische Leitung: Cornelius Meister
Regie: Bastian Kraft
Bühne: Peter Baur
Kostüme: Jelena Miletić
Video: Sophie Lux
Licht: Gerrit Jurda
Chor: Manuel Pujol
Dramaturgie: Franz-Erdmann Meyer-Herder
Besetzung:
Idomeneo ... Jeremy Ovenden
Idamante ... Anett Fritsch
Ilia ... Lavinia Bini
Elettra ... Diana Haller
Arbace ... Charles Sy
Oberpriester Neptuns ... Eleazar Rodríguez
Stimme Neptuns ... Aleksander Myrling
Staatsopernchor Stuttgart
Staatsorchester Stuttgart
Premiere war am 24. November 2024.
Weitere Termine: 27.11./ 02., 05., 16., 20., 27.12.2024


Weitere Infos siehe auch: https://www.staatsoper-stuttgart.de


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