Florian
Silbereisen
des Barock
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La Fest von und mit Eric Gauthier - an der Staatsoper Stuttgart | Foto (C) Matthias Baus
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Szenische Bewertung:
Der Kanadier Eric Gauthier war Mitglied des Stuttgarter Balletts. Dann gründete er im Theaterhaus eine eigene Compagnie, mit der er außergewöhnlich erfolgreich ist und über Stuttgart hinaus Anerkennung eingefahren hat. Jetzt hat ihn Viktor Schoner, der mit einem guten Riecher für Publikumsköder ausgestattet ist, an seine alte Heimat, das Große Haus, eingeladen, aber nicht zum Ballett, sondern in die Oper. Dort sollte Gauthier ein sprachlich hybrides Fest, das im Französischen als „la fête“ weiblich ist, also La Fest inszenieren. Was genauer damit gemeint ist, verrät der Untertitel: Oper als barocke Feier des Lebens.
Die erste Stunde ist eine Art Prolog, der dazu dient, dass das Publikum unter Anleitung von Gauthier die an der Aufführung Beteiligten kennenlernt, ehe nach der Pause das (oder die) eigentliche Fest beginnt. Die Einführung vollzieht sich in Form einer Art Mitmachoper. Das Publikum singt ein Ostinato aus vier Tönen, über das die Profis ihre Partien legen, und kopiert kollektiv die Gebärden, die ihm abverlangt werden, schließt auch brav die Augen, wenn sie der Zeremonienmeister dazu auffordert. Das zusammengewürfelte Ensemble aus acht jungen Tänzerinnen und Tänzern stellt sich vor. Die hervorragenden Gesangssolisten, unter ihnen vor allem Diana Haller, Claudia Muschio und der ukrainische Countertenor Yuriy Mynenko, tragen je eine Arie vor. Auch der Chor liefert eine Kostprobe seines Könnens ab.
Das alles hat den Charakter einer Mischung aus Fernsehshow, Nummernrevue und Varieté. Und Eric Gauthier, der gerne ins Plappern gerät, gibt einen Florian Silbereisen des Barock. Im zweiten Teil verschwindet er dann hinter die Bühne, auf der das Orchester thront. Jetzt geht es richtig los.
In den Proszeniumslogen finden kleine Szenen statt, die von der Bühne ablenken, an denen die Regie jedoch alsbald das Interesse verliert. Auf der Bühne spielt das Ensemble endlos Stille Post oder Reise nach Jerusalem. Reicht das für eine szenische Aktion?
Das kann Christoph Marthaler besser. Und was das barocke Fest betrifft, empfehle ich den Molière-Film von Ariane Mnouchkine.
Die zwischengeschalteten oder begleitenden Choreographien sind leider ziemlich einfallslos und schematisch. Da bleibt Gauthier hinter seinen Möglichkeiten zurück. Auf einer Laufschriftanzeige wird der Verdacht geäußert, dass Schönheit allein zu wenig sei, und sogleich als „intellektuell“ zurückgewiesen. Viel Applaus bekommt ein Tänzer, der mehrmals demonstriert, wie sich Breakdance zu Barockmusik ausmacht.
Kurz vor dem Ende purzeln Ballons aus dem Schnürboden. Da ist sie wieder, die kitschige Fernsehästhetik. Eric Gauthier versucht im Programmheft und mit zehn Sekunden im ersten Teil so etwas wie ein Sujet nahezulegen. Aber die Texte der ausgewählten Opernnummern fügen sich diesem Bemühen nicht. Sie verlieren sogar das Fest aus den Augen. Das wird eigentlich nur vom Titel des Abends suggeriert.
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Und weil die Stuttgarter Oper ein Fest mit drei Stunden Barockmusik offenbar für eine Zumutung hält, wird man mit Disco zugedröhnt, noch ehe man die Garderobe erreichen kann.
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La Fest von und mit Eric Gauthier - an der Staatsoper Stuttgart | Foto (C) Matthias Baus
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Thomas Rothschild - 4. Dezember 2023 ID 14507
LA FEST (Staatsoper Stuttgart, 03.12.2023)
Oper als barocke Feier des Lebens von und mit Eric Gauthier
Musikalische Leitung: Benjamin Bayl
Regie und Choreographie: Eric Gauthier
Bühne: Susanne Gschwender
Kostüme: Gudrun Schretzmeier
Licht: Mario Daszenies
Dramaturgie: Miron Hakenbeck und Carmen Kovacs
Chor: Manuel Pujol
Mit den Sängerinnen und Sängern Claudia Muschio, Natasha Te Rupe Wilson, Diana Haller, Yuriy Mynenko, Alberto Robert, Yannis François sowie sowie den Tänzer*innen Aycan Ersal, Cindy Martinez, Rosalia Pace, Chiara Viscido, Louis Buß, Matthias Kass, Alessio Marchini, Jonathan Reimann
Staatsopernchor Stuttgart
Staatsorchester Stuttgart
Premiere war am 3. Dezember 2023.
Weitere Termine: 06., 16., 23., 25., 28., 31.12.2023// 19., 25.01.2024
Weitere Infos siehe auch: https://www.staatsoper-stuttgart.de
Post an Dr. Thomas Rothschild
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