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Premierenkritik

Virginias

Orlando



Händels Orlando an der Oper Köln | Foto (C) Sandra Then

Bewertung:    



Ich assoziierte und assoziiere Orlando immer wieder, und zuallerertst, mit Sally Potters 1992er Verfilmung des gleichnamigen Gender-Romanes von Virginia Woolf, wo Tilda Swinton gleichsam als Orlando:Orlanda besichtbar war - ich hatte den Film erstmals (paar Jahre nach der Wende) im Grassi-Kino in Leipzig gesehen, und seine grandiosen Bilder kriegte ich seither, und immer wenn ich irgendwo "Orlando" las, nicht mehr aus meinem Kopf. So ähnlich beeinflusst und beeindruckt könnte auch der spanische Regisseur Rafael R. Villalobos (37) gewesen sein, als er 2021 im katalanischen Castell de Peralada sein szenisches Angebot zum Thema vorstellte; dem Vernehmen nach nahm er dann insbesondere jenen Beziehungsdreier zwischen der lesbischen Autorin Woolf, ihrer Freundin Sackville-West und deren Liebhaberin Trefusis zum Ausgangspunkt für "seine" Figurenkonstellation - selbige Inszenierung hat jetzt auch die OPER KÖLN in ihren Spielplan aufgenommen.

Die 1733 im Londoner King's Theatre uraufgeführte Orlando-Oper von Georg Friedrich Händel basierte auf dem über 200 Jahre vorher von Ludovico Ariosto verfassten gleichnamigen Epos (Orlando furioso), welches wiederum auch für die beiden nachfolgenden Händel-Opern Ariodante und Alcina als Stoff diente; vor 14 Jahren sah und hörte ich Orlando letztmals in einer auf Deutsch gesungenen Aufführung der Komischen Oper Berlin.

Der originale Orlando-Plot (in Händels Oper) liest sich so:



"Orlando ist wie besessen in Angelica verliebt und versucht mit aller Kraft, sie für sich zu gewinnen. Dies bereitet dem Zauberer Zoroastro Sorgen, da Orlando seine Pflicht als Krieger vernachlässigt. Als Orlando erfährt, dass Angelica statt seiner den Soldaten Medoro liebt, wird er wahnsinnig vor Eifersucht, halluziniert einen Abstieg in die Unterwelt und beschließt, alles und jeden zu zerstören. Wird Zoroastro sein Ziel erreichen und Orlando zurück auf den 'rechten Pfad' bringen?" (Quelle: oper.koeln)


Ja und der Plot (in Villalobos' Inszenierung) ginge etwa so hier:

Orlando (Xavier Sabata) streift als real existierende Roman-Vorlage weit über zwei Stunden lang, mit gelegentlichen Unterbrechungen zugunsten diverser Einzel-, Zweier- oder Dreieauftritte seiner vier Mitagierenden, durch die mit einem überdimensionalen dreieckigen Spiegel halbwegs überdachte Bühnen-Gegend (konstruiert von Emanuele Sinisi) und zieht seine koloraturdurchwachs'nen Arien nacheinander ab; das macht er ausdrucksstark und gut, und zwischendurch sieht man, wie er rein zufällig ein paar von seiner Figurerschafferin auf deren Schreibtisch herumliegende Manuskriptblätter erhascht, sie oberflächlich überliest und fassungslos à la "Was hast du da für Scheiße über mich geschrieben?" reagiert o.s.ä.

Die hauptsächliche Binnen-Beziehungskiste ist dann die hier:

Virginia (Alina König Rannenberg als eigentliche Dorinda) kriegt mit, dass ihre lesbische Freundin Vita (Adriana Bastidas-Gamboa als eigentlicher Medoro) ein Liebesverhältnis mit Violet (Giulia Montanari als eigentliche Angelica) hat und müht sich mehr und mehr, über diesen sie menschlich zutiefst erschüttert habenden Zwischenfall hinwegzukommen; das gelingt zwar ziemlich schwer, aber letztendlich doch, also so irgendwie...

Das [s.o.] hat schon Spaß gemacht, dass man das quasi wie durch's Schlüsselloch dann so beobachten und nachvollziehen konnte.

Erst nach der Pause tritt dann auch noch Zauberer Zorostro (Gianluca Buratto) auf, um das LGBT-Beziehungschaos zwischen den Agierenden beschwichtigend zu richten.

*

Die Musikerinnen und Musiker des von Rubén Dubrovsky auf einigermaßen glaubwürdiges Barock getrimmten Gürzenich-Orchesters Köln beglückten insbesondere bei der Dorinda-Arie mit den zwei sie begleitenden Bratschen - auch bei der vorher schon gesungenen und mit der Solo-Violine begleiteten Nachtigallen-Arie; beide Male Gänsehaut beim Hören!

Sowieso schienen die drei Frauenstimmen Sabatas Countertenor ziemlich in den Schatten stellen zu wollen.

Große Begeisterung am Schluss.

Inszenatorisch und musikalisch ein Highlight - ohne jede Frage.




Xavier Sabata (als Titelfigur) und Giulia Montanari (als Angelica) in Händels Orlando an der Oper Köln | Foto (C) Matthias Jung

Andre Sokolowski - 18. November 2024
ID 15015
ORLANDO (Staatenhaus, 17.11.2024)
von Georg Friedrich Händel

Musikalische Leitung: Rubén Dubrovsky
Inszenierung & Kostüme: Rafael R. Villalobos
Bühne: Emanuele Sinisi
Licht: Albert Faura
Dramaturgie: Svenja Gottsmann
Besetzung:
Orlando ... Xavier Sabata
Angelica ... Giulia Montanari
Medoro ... Adriana Bastidas-Gamboa
Dorinda ... Alina König Rannenberg
Zoroastro ... Gianluca Buratto
Andreas Gilger, Cembalo
Sören Leupold, Continuo Laute/ Theorbe I
Andreas Nachtsheim, Continuo Laute/ Theorbe II
Gürzenich-Orchester Köln
Premiere beim Festival Castell de Peralada: 30. Juli 2021
Premiere an der Oper Köln: 17. November 2024
Weitere Termine: 20., 24., 26., 28., 30.11./ 04., 06., 08., 12.12.2024


Weitere Infos siehe auch: https://www.oper.koeln


https://www.andre-sokolowski.de

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