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Premierenkritik

Grönemeyer,

Fritsch und

Florentinerhut



Pferd frisst Hut an der Komischen Oper Berlin | Foto (C) Jan Windszus Photography

Bewertung:    



Mit Pferd frisst Hut präsentiert die Komische Oper Berlin eine schillernde, musikalische Komödie, die das klassische Vaudeville-Stück Ein Florentinerhut von Eugène Labiche in eine moderne, musikalisch vielseitige Inszenierung verwandelt. Unter der Regie von Herbert Fritsch und mit der Musik von Herbert Grönemeyer wird die temporeiche Farce zu einem Spektakel aus Slapstick, artistischen Einlagen.

Die Handlung ist ein wahres Feuerwerk an Missverständnissen und absurder Situationskomik. Fadinard, ein junger Privatier, sieht sich am Tag seiner Hochzeit mit einer unmöglichen Mission konfrontiert: Sein Pferd hat den Hut einer fremden Dame gefressen, die nun fürchtet, ihr eifersüchtiger Ehemann könnte ihr Geheimnis entdecken. Fadinard hetzt durch Paris auf der Suche nach einem identischen Ersatzhut, während ihm seine nichtsahnende Hochzeitsgesellschaft folgt. Das Chaos nimmt mit jeder Szene neue Dimensionen an, bis die Szenerie fast in sich zusammenbricht und doch ein absurdes Happy End erreicht wird.

Grönemeyer kehrt mit dieser Komödie zu seinen Wurzeln als Theatermusiker zurück und zeigt sich von seiner spielerisch-experimentellen Seite. Die von Thomas Meadowcroft arrangierte Musik bewegt sich zwischen klassischer Ouvertüre, jazzigen Zwischentönen, mitreißenden Duetten und parodistischen Anleihen aus dem Italo-Pop. Eine Art Nummernmusik eines Musicals unprätentiös, oft roh und durch die singenden Schauspieler weit entfernt vom klassischen Kanon eines Opernhauses.

Das bringt uns zu der Frage: Was ist Pferd frisst Hut eigentlich? Es wird von Grönemeyer und Fritsch als musikalische Komödie bezeichnet, doch lässt sich nicht leugnen, dass es auch zahlreiche Charakteristika eines Musicals im angelsächsischen Sinne aufweist. Die Integration von Gesang, Tanz und Schauspiel folgt einem Konzept, das dem Broadway-Stil durchaus nahekommt. Dennoch bewegt sich das Werk in einem hybriden Bereich zwischen der Tradition der Opera buffa, der deutschen Spieloper und den dynamischen Strukturen des modernen Musicals. Gerade dieser Grenzgang zwischen den Gattungen stellt die Frage, ob die Komische Oper Berlin als Aufführungsort das bestmögliche Publikum erreicht. Während sie ein Haus mit einer starken Tradition in der Verbindung von Musik und Schauspiel ist, könnte eine Aufführung im Friedrichstadtpalast oder einem vergleichbaren Theater, das auf musikalisch-szenische Spektakel spezialisiert ist, neue Publikumsschichten erschließen. In angelsächsischen Kulturkreisen sind die Grenzen zwischen Unterhaltungsmusik und "ernster" Musik deutlich durchlässiger als in Europa, wo eine strikte Trennung zwischen Oper, Operette und Musical noch immer besteht. Der gestrige Abend war ein hervorragendes Beispiel dafür, wie fließend diese Grenzen in Wahrheit sind. Eine Inszenierung wie Pferd frisst Hut könnte von einem offeneren Verständnis der Musik und ihrer Darbietung profitieren, indem sie einem breiteren Publikum zugänglich gemacht wird und ihre Qualitäten als multimediales Gesamtkunstwerk in einem passenderen Umfeld voll entfalten könnte.

Zum Visuellen: Das von Fritsch selbst gestaltete Bühnenbild unterstützt die dichte, hyperaktive Inszenierung perfekt: Ein Labyrinth aus Türen, Treppen und einer Drehtür sorgt für ständige Bewegung und zahlreiche Möglichkeiten für slapstickartige Verwechslungen. Die Körperlichkeit der Darsteller:innen spielt eine entscheidende Rolle, und die umherjagende Hochzeitsgesellschaft bildet mit choreografierter Unruhe eine zentrale dynamische Achse der Aufführung.

Mit Pferd frisst Hut ist Grönemeyer in Zusammenarbeit mit Fritsch eine äußerst unterhaltsame, musikalisch facettenreiche Inszenierung gelungen. Das Ensemble brilliert in seiner Spielfreude, die Musik überrascht mit stilistischer Vielfalt, und das atemberaubende Tempo der Inszenierung sorgt für durchgehende Heiterkeit. Ein Theaterabend, der zeigt, wie viel Kraft, Witz und Musikalität in einer historischen Farce stecken kann.



Pferd frisst Hut an der Komischen Oper Berlin | Foto (C) Jan Windszus Photography

Steffen Kühn - 9. Februar 2025
ID 15141
PFERD FRISST HUT (Schillertheater, 07.02.2025)
Musikalische Leitung: Dirk Kaftan
Inszenierung, Bühnenbild und Choreografie: Herbert Fritsch
Kostüme: Geraldine Arnold
Arrangeur: Thomas Meadowcroft
Dramaturgie: Sabrina Zwach
Chöre: Jean-Christophe Charron
Licht: Cornelius Hunziker
Besetzung:
Fadinard ... Christopher Nell
Nonancourt ... Hubert Wild
Emile Tavernier/ Baronin von Champigny ... Flori­n Anderer
Vezinet/ Baronin von Champigny ... Gottfried Breitfuss
Tardiveau ... Werner Eng
Beauperthuis ... Matthias Buss
Clara ... Sarah Bauerett
Bobin ... Owen Peter Read
Hélène ... Paulina Plucinski
Anais ... Helena Bohndorf
Felix ... Kaspar Si­monischek
Maurice ... Daniel Petrenko
Virginie ... Pia Dembinski
Tänzer und Tänzerinnen: Danilo Brunetti, Máté Gyenei, Ann-Kathrin Wurche, Alessandra Bizzarri, Anna­ Friederike Wolf, Alba de Miguel, Molly Hunt und Ana Dordevic
Vocalconsort Berlin
Orchester der Komischen Oper Berlin
Premiere an der Komischen Oper Berlin: 7. Februar 2025
Weitere Termine: 09., 12., 13., 15.02./ 15., 19., 24.05.2025


Weitere Infos siehe auch: https://www.komische-oper-berlin.de


Post an Steffen Kühn

http://www.hofklang.de

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