Die musikalische
Kaffeemühle
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Der Räuber Hotzenplotz an der Staatsoper Stuttgart | Foto (C) Matthias Baus
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Bewertung:
Kinder werden an der Stuttgarter Oper nicht mit Zweitklassigem abgefüttert. Der Räuber Hotzenplotz ist in der Singspielfassung von Sebastian Schwab der international bewährte Bass Franz Hawlata. In Stuttgart war er bereits als Gefängnisdirektor Frank in der Fledermaus zu bewundern: Ein guter Einstieg für den populären Gesetzesbrecher von Otfried Preußler. Sebastian Schwab ist, außer Schauspieler und Regisseur, nach dem 21 Jahre älteren Andreas N. Tarkmann bereits der zweite deutsche Komponist, der seine Veroperung gewagt hat. Mehr noch: Tarkmann war Anfang des Jahrtausends just an der Jungen Oper musikalischer Leiter, an der jetzt das Nachfolgewerk uraufgeführt wurde. Das Libretto schrieben Anne X. Webern, Susanne Lütje und Elena Tzavara, die auch Regie geführt hat. Seit 2017 war sie künstlerische Leiterin der Jungen Oper, die sich mittlerweile JOiN (Junge Oper im Nord) nennt, diesmal aber im sehr viel größeren Opernhaus auftritt. Ab der kommenden Saison wird sie ihre steile Karriere als Generalintendantin in Aachen fortsetzen, wo – die Welt ist klein – Tarkmanns Hotzenplotz im Jahr 2009 das Licht der Kinderopernwelt erblickt hat.
Ein paar Kilometer von Stuttgart entfernt, in Esslingen, lockte man zu Weihnachten die Kinder mit Ronja Räubertochter ins Theater, in Stuttgart ist es nun also der Räuber mit dem phonetisch schönen und witzig verballhornbaren Namen Hotzenplotz (eine schwäbische Rockgruppe hat ihn sich einst geliehen – nicht auszudenken, wenn er Müller oder Meier hieße). Was waren das für Zeiten, als Moralin noch nicht das kindliche Vergnügen versäuert hatte und kriminelle Anarchisten als Sympathieträger dienen durften.
Es beginnt damit, dass der Räuber Hotzenplotz Großmutters Kaffeemühle stiehlt, die wie eine Spieluhr "Komm schöner Mai und mache" spielt. Damit ist auch schon der didaktische Mehrwert des Abends umrissen: Er belehrt die Computer-und-Handy-Kinder darüber, was eine Kaffeemühle ist. Vor 60 Jahren wusste das noch jeder.
Kleine Podien mit verschiedenfarbigen Vorhängen werden von Bühnenarbeitern in Overalls und Pudelmützen umhergeschoben. Wenn zwischendurch das Saallicht angeht, dürfen die Kinder von 997 bis 999 zählen. Mitmachtheater für Schulanfänger. Dann treten Kasperl und Seppel auf. Sie agieren nach dem Muster von Clownsspielen mit Reminiszenzen an das bayerisch-österreichische Kasperltheater. Allerdings trägt Kasperl in Stuttgart nicht die traditionelle Zipfelmütze, sondern eine mehrzipfelige Narrenkappe.
Um Hotzenplotz in die Irre zu führen, sorgen Kasperl und Seppel durch Kleidertausch für Verwechslung und Gefährdung wie Leporello und Don Giovanni. Und die zur Unke verzauberte Fee Amaryllis wird in ihre frühere schöne Gestalt zurückverwandelt wie Papagena in der Zauberflöte. Ihr Widersacher, der Zauberer Petrosilius Zwackelmann wiederum klagt darüber, dass er die Kartoffeln immer selbst schälen muss und enteilt am Ende in die Kantine zu Nudeln mit Tomatensauce.
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So weit, so amüsant und am Ende auch umjubelt. Was freilich bei einer Oper, und sei sie für Kinder, als Manko gelten muss, ist die eklatante Dürftigkeit der Musik. Kurze, schlichte Phrasen, die mangels einer Entwicklung wiederholt werden, hangeln sich von Pause zu Pause. Da haben sich Gian Carlo Menotti oder Hans Werner Henze schon weiter herausgewagt und Kindern mehr zugetraut. Auch die holprigen Liedtexte haben – sprechen wir es aus – eine geringe Chance, in die Literaturgeschichte einzugehen. Zumal das Publikum, wie man es kennt, bei gesungenen Texten oft auf die Übertitelung angewiesen ist. Was aber machen die Sechsjährigen, die noch nicht lesen können? Für sie reicht auch in dieser Beziehung Zweitklassiges nicht aus.
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Der Räuber Hotzenplotz an der Staatsoper Stuttgart | Foto (C) Matthias Baus
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Thomas Rothschild – 5. Februar 2023 ID 14034
DER RÄUBER HOTZENPLOTZ (Opernhaus, 04.02.2023)
von Sebastian Schwab
Musikalische Leitung: Florian Ziemen
Regie: Elena Tzavara
Bühne & Kostüm: Elisabeth Vogetseder
Licht: Rainer Eisenbraun
Dramaturgie: Julia Schmitt und Ingo Gerlach
Besetzung:
Räuber Hotzenplotz ... Franz Hawlata
Großmutter ... Maria Theresa Ullrich
Kasperl ... Elliott Carlton Hines
Seppel ... Dominic Große
Wachtmeister Dimpfelmoser ... Torsten Hofmann
Petrosilius Zwackelmann ... Heinz Göhrig
Fee Amaryllis ... Clare Tunney
Staatsorchester Stuttgart
UA an der Staatsoper Stuttgart: 4. Februar 2023
Weitere Termine: 07., 14.02./ 03., 13., 20.03./ 26., 28., 30.04.2023
Weitere Infos siehe auch: https://www.staatsoper-stuttgart.de
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