Der Schöne
und das
Biest
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Christiane Karg als Rusalka - an der Staatsoper Unter den Linden | Foto (C) Gianmarco Bresadola
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Bewertung:
Es ist wie im wahren Leben: Alleinerziehender Vater haust mit seinen vier erwachs'nen Töchtern, wirtschaftlich so grade mal über die Runden kommend, in einer notdürftig eingerichteten Einzimmerwohnung (Wohnküche mit angrenzendem Bad mit Badewanne). Leider ist es ihm bisher noch nicht geglückt, sie unter eheliche Hauben zu bekommen, denn dann wäre er vielleicht um vier, drei, zwei Sorgen oder auch nur um eine Sorge leichter und könnte sich auf sein Altenteil zurückziehen; ein Platz in einem nicht so teuren Pflegeheim wollte ihm unter Umständen gefallen, oder letztlich doch dann nicht.
Die jüngste oder älteste dieser vier Frauen ist zugleich auch seine Lieblingstochter - sie bereitet ihm derzeit Probleme, denn ihr ist (im Treppenhaus) ein Mann begegnet, der ihr nicht mehr aus dem Sinn geht. Hat sie sich etwa in ihn verliebt?
Besagter Typ wohnt übrigens ein Stockwerk über der Familie Wassermann (so heißen die fünf Unterschichtler nämlich). Dessen großräumige Studiowohnung mit Terrasse und grandiosen Aussichten auf Berlin-Mitte kann er sich wahrscheinlich leisten, weil seine Verflossene ihm das bezahlt - man sieht sie, wie sie aufgeregt im Treppenhaus herunter eilt und er die Haustür hocherleichtert schließt, nachdem sie endlich abgedampft ist; allem Anschein nach hatte sie ihn genervt und musste daher erst mal weg. Na ja, mal sehen, wann sie wiederkommt.
Und im Parterre wohnt dann auch noch eine Frau aus Mähren oder so; heißt Ježibaba, und wahrscheinlich funktioniert sie als Concierge sprich Hausverwalterin, denn alle in dem zweistöckigen Haus scheinen sie irgendwie zu kennen; jemand (ein Besucher von oben?) gibt ihr sogar was, und es sah weniger so aus, als wäre es die Miete im Voraus, vielmehr könnte es auch ein Entgelt für von ihr beschaffte Drogen gewesen sein.
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Das [s.o.] ist der Ausgangspunkt für Regisseur Kornél Mundruczó, hiermit fängt seine Rusalka-Inszenierung (Bühnenbild, Kostüme: Monika Pormale) an, und dieser Ansatz schien mir hochgenial. Zumeist sind ja in herkömmlichen Produktionen dieser Meerjungfrauen-Oper so librettotreue Zwitterwesen mit Fischflossen unten sowie baren Mädchenbrüsten oben zu besichtigen; modernerere Sichtweisen verzichten freilich auf so derart Dumpfbackenes, aber hin und wieder sah und sieht man "es" dann doch. Egal.
Die von dem schönen Prinzen letztlich unerwidert geblieb'ne große einseitige Liebe der Rusalka gipfelt in der absoluten Katastrophe. Sie verspricht sich eine letzte Hoffnung durch die zwielichtige Nachbarin, die sich mit Rausch- und Zaubermitteln bestens auszukennen vorgibt, was dann umkehrschlüssig seinen Preis hat.
Lange Rede kurzer Sinn: Die Zauberin flößte der Liebeskranken einen Trank ein, der sie halt verstummen ließ; "und jetzt sieh zu, wie du dann mit der Gegenliebe deines Prinzen klarkommst, Baby; aber eins ist klarer noch als klar, falls du es nicht schaffst, bleibst du ungeliebt und unten, also da, wo du einst hergekommen warst"; ja und die Zauberin erreichte somit, dass ihre Klientin (ungeliebt geblieben, wie es zu erwarten war; denn wer nicht spricht, kann auch nicht liebesflüstern) als Altjungfer alterte und sich zu einem krokodilschwanztragenden Seeungeheuer umverwandelte, während sie selbst, die Zauberin, sich mit Rusalkas Jugend Stück um Stück verjüngen tat. Ja und so endete diese fatale Mär im licht- und trostlosen Kellergemäuer des total verwunsch'nen zweistöckigen Hauses.
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Mika Kares (als Wassermann) mit seinen drei ihn umschwimmenden Tochter-Elfen - in Rusalka an der Staatsoper Unter den Linden | Foto (C) Gianmarco Bresadola
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Gesungen und gespielt wurde vom Feinsten:
Christiane Karg (Rusalka), Mika Kares (Wassermann) und die phänomenale Kontraaltistin Anna Kissjudit (Ježibaba) bildeten das vom Premierenpublikum zurecht umjubelte Spitzentrio dieser singulären Aufführung!!!
Auch Pavel Černoch (Prinz) und die erfolgreich "wiederauferstandene" Anna Samuil (Fremde Fürstin): unangreifbar gut.
Das alles wäre ohne das entsprechende Orchester-Zutun der mit allen Wassern gewaschenen Staatskapelle Berlin schlicht unmöglich gewesen - die Gesangssolistinnen und -solisten müssen sich wie in einem eigens für sie zubereiteten Wellness-Luxusbad gefühlt haben; es klang rauschhaft wundervoll und über alle Maßen spritzig schön! Und der Rusalka-erfahrene Robin Ticciati feierte somit dann seinen erstklassigen Einstand im ersten Haus am Platz; wir gratulieren ihm hierzu.
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Andre Sokolowski - 5. Februar 2024 ID 14592
RUSALKA (Staatsoper Unter den Linden, 04.02.2024)
Musikalische Leitung: Robin Ticciati
Inszenierung: Kornél Mundruczó
Bühnenbild und Kostüme: Monika Pormale
Licht: Felice Ross
Video: Rūdolfs Baltiņš
Choreographie: Candaş Baş
Choreinstudierung: Gerhard Polifka
Dramaturgie: Kata Wéber und Christoph Lang
Besetzung:
Rusalka ... Christiane Karg
Prinz ... Pavel Černoch
Fremde Fürstin ... Anna Samuil
Wassermann ... Mika Kares
Jezibaba ... Anna Kissjudit
Heger ... Adam Kutny
Küchenjunge ... Clara Nadeshdin
Erste Elfe ... Regina Koncz
Zweite Elfe ... Rebecka Wallroth
Dritte Elfe ... Ekaterina Chayka-Rubinstein
Jäger ... Taehan Kim
Staatsopernchor
Staatskapelle Berlin
Premiere war am 4. Februar 2024.
Weitere Termine: 08., 11., 15., 18., 22.02.2024
Weitere Infos siehe auch: https://www.staatsoper-berlin.de/
https://www.andre-sokolowski.de
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