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Premierenkritik

Blutleer

SIMON BOCCANEGRA von Verdi - neu inszeniert an der Deutschen Oper Berlin

Bewertung:    



Verdi liebte komplizierte Geschichten. Bei Simon Boccanegra trieb er es auf die Spitze. 1857 fiel die Oper beim Publikum durch. Fast 25 Jahre später spielt Verdi seine guten Beziehungen aus und erreicht die Uraufführung einer revidierten Fassung. Inhaltlich gestrafft und musikalisch überarbeitet schafft es das Stück in die Spielpläne der Opernhäuser.


"Die Republik Genua ist in zwei Parteien gespalten, deren Anführer Simon Boccanegra und Fiesco einander seit Jahrzehnten in erbitterter Feindschaft gegenüberstehen. Und doch verbindet die beiden Männer ein gemeinsames Schicksal: Einst hatte Simon Fiescos Tochter geliebt und mit ihr ein Mädchen namens Amelia gezeugt. Doch nach dem Tod der Mutter verschwand dieses Kind spurlos. Als sie 25 Jahre später wiedergefunden wird, wird sie zum Spielball eines Machtspiels, dem schließlich Simon zum Opfer fällt." (Quelle: deutscheoperberlin.de)


Der Komponist und seine Librettisten erzählen vom Spannungsverhältnis zwischen öffentlichem und privatem Handeln. Die Feindschaft zwischen den beiden alten Männern Simon und Fiesco schafft in der Zukunft immer wieder Anlass für Verdächtigungen, Verschwörungen und politische Morde. Wenn eine der Parteien den Sieg errungen hat, geht der Kampf sofort weiter. Ein glückliches Ende ist nicht möglich. Wie inszeniert man aber nun diese Endlosschleife von Hass, Gewalt und Liebe?

*

Regisseur Vasily Barkhatov wurde zu seiner Inszenierungsidee in der Berliner Morgenpost wie folgt zitiert:



„Die politische Maschine läuft eigentlich ähnlich, ob in der Renaissance, zu Verdis Zeiten oder heute.“ [...] „Ich lasse die Geschichte in der Gegenwart spielen, aber es ist keine Geschichte eines bestimmten Landes. Wenn sie in einem konkreten Land spielen würde, dann würde es die Geschichte kleiner machen. In der Handlung kann man natürlich Geschehnisse der letzten Jahre wiedererkennen.“


Herauskam (leider) ein blasses Allerweltsumfeld: Kostüme irgendwo zwischen heutigem Businessoutfit und Abendgarderobe, die Umgebungen der verschiedenen Handlungsorte waren so blutleer wie Musterräume in Ikea-Einrichtungshäusern. Barkhatov stellte das Vorspiel der ersten Fassung der Aufführung voran und erzählte hier die Vorgeschichte. Seine zweite Inszenierungsidee: in Umbaupausen wurden fiktive Schlagzeilen italienischer Tageszeitungen präsentiert. Sowas wie: "Beweist ein DNA-Test die Herkunft der jungen Frau, welche seit kurzem im Dogenpalast gesichtet wurde."

Das alles war zu wenig, um eine um die 150 Jahre alte italienische Oper dem Berliner Publikum des 20. Jahrhunderts schmackhaft zu machen. Aber es gab auch die Musik, allen voran Maria Motolygina als Amelia. Und auch das Orchester der Deutschen Oper, dirigiert von Jader Bignamini, vermittelte Wohlgenuss. Satte kräftige Tuttis entwickelten sich da aus dem Graben und evozierten ein Klangerlebnis, welches der Tragik des Stoffes entsprach. Zumindest das ein Trost - dies konnte einem über die blutleere Inszenierung hinweghelfen.




Simon Boccanegra von Verdi an der Deutschen Oper Berlin | Foto (C) Bettina Stöß

Steffen Kühn - 30. Januar 2023
ID 14026
SIMON BOCCANEGRA (Deutsche Oper Berlin, 29.01.2023)
Musikalische Leitung: Jader Bignamini
Inszenierung: Vasily Barkhatov
Bühne: Zinovy Margolin
Kostüme: Olga Shaishmelashvili
Licht: Alexander Sivaev
Video: Martin Eidenberger
Chöre: Jeremy Bines
Dramaturgie: Sebastian Hanusa
Besetzung:
Simon Boccanegra ... George Petean
Jacopo Fiesco ... Liang Li
Paolo Albiani ... Michael Bachtadze
Pietro ... Padraic Rowan
Maria / Amelia ... Maria Motolygina
Gabriele Adorno ... Attilio Glaser
Hauptmann ... Patrick Cook
Eine Magd ...Karis Tucker
Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin
Premiere war am 29. Januar 2023.
Weitere Termine: 01., 04., 09., 17., 19., 25.01.2023


Weitere Infos siehe auch: https://deutscheoperberlin.de/


Post an Steffen Kühn

http://www.hofklang.de

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