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nachDRUCK # 5

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Premierenkritik

Siegfrieds

Verklärung



Cover des Programmbuchs | Bildquelle: Staatsoper Stuttgart

Bewertung:    



Ein neuer Ring ist, nicht nur für Wagner-Fans, sondern auch für die einzelnen Opernhäuser, stets ein Ereignis, nicht allein wegen der ungewöhnlichen Läge von drei der vier Abende, sondern auch wegen der geschickten Dramaturgie ihrer Anordnung. Die einzelnen Teile haben, spannungsfördernd, jeweils in einem Abstand von meist mehreren Monaten Premiere. Der komplette Zyklus wird dann in der Regel gerade zwei oder drei Mal aufgeführt, kann oft nur als ganzer gebucht werden und ist Monate im Voraus ausverkauft. Eine Wiederaufnahme wird immer schwieriger, weil die begehrten Sängerinnen und Sänger, zumal wenn sie nicht an ein Haus gebunden sind, auf Jahre hinaus ihre Termine verplant haben.

Jetzt ist auch der jüngste Stuttgarter Ring bei der Götterdämmerung angelangt. Zur Erinnerung: Intendant Viktor Schoner hat sich erneut, nach dem viel gelobten Ring zur Jahrtausendwende, für vier verschiedene Regiehandschriften entschieden, für eine umbesetzte Wiederaufnahme von Siegfried und drei Neuinszenierungen der restlichen Teile. Bei der Götterdämmerung führt Marco Štorman, der am Ort mit John Adams’ Nixon in China auf sich aufmerksam gemacht hat, Regie. Die Klammer für den gesamten Zyklus bildet die musikalische Leitung durch Cornelius Meister [Ring-Dirigent in Bayreuth 2022!], der sich längst die Zuneigung des treuen Stuttgarter Publikums erobern konnte. Verdient, muss man hinzufügen, ohne damit die Meriten seiner Vorgänger zu schmälern. Stuttgart hat mit seinen Generalmusikdirektoren Glück gehabt. Es muss nicht immer München oder Berlin sein, auch wenn die Reisekritiker auf diese Städte fixiert sind.

Die Vorstellung lässt sich, wenn sich der Vorhang öffnet, im doppelten Wortsinn düster an. Das Vorspiel, das dazu dient, die Vorgeschichte zu rekapitulieren, schleppt sich szenisch hin. Danach aber kommt Fahrt in die Chose. Die Germanenspur wird eher ironisch aufgenommen. Štorman, sein Bühnenbildner Demian Wohler und seine Kostümbildnerin Sara Schwartz mischen Elemente und Embleme unterschiedlicher Kulturen und Herkunft. Gespielt und gesungen wird vorwiegend in einer „Halle“, die aussieht wie ein Zwitter aus christlicher (!) Kirche (weiche, Wotan, weiche) und Sitzungssaal. Dazu schafft sich die Inszenierung eine eigene Ikonographie durch ziemlich schreckliche gründerzeitjugendstilinspirierte Bilder mit Richard-Wagner- oder Karl-May-Bezug, die von Anfang bis Ende über die Bühne getragen und irgendwo abgestellt werden.

Den Siegfried kann man in Hinblick auf die Geschichte des Rings im Rahmen der allgemeinen Geschichte kaum noch ungebrochen als Helden darstellen. Auch bei Marco Štorman ist er kein törichtes Kind, sondern ein gemeiner Säufer, der Brünnhilde, wenn auch unter der Einwirkung eines Tranks, der ihn seines Gedächtnisses beraubt hat, willentlich demütigt. Kostüm und Perücke machen ihn, nicht erst, nachdem er Brünnhilde an Gunthers statt beschlafen hat – ein Cyrano de Bergerac, der nicht nur mit Versen, sondern mit seinem ganzen Körper zur Sache kommt –, nicht nur zu dessen Blutsbruder, sondern zum Doppelgänger. Gunthers Schwester Gutrune, die Siegfried untergejubelt wird, ist in dieser Fassung, passend, ein bisserl deppert.

Nach der Ermordung Siegfrieds bricht nicht der Mond durch die Wolken, sondern die Kuppel des Zuschauerraums wird erleuchtet und lädt zur Himmelfahrt ein. Schon zuvor hat ein gelber Neonreif als Ring des Nibelungen und zugleich als Heiligenschein die Apotheose Siegfrieds eingeleitet.

Mag man gegen die Inszenierung einzelne Einwände haben, so gewähren Sänger und Orchester, die Partitur scharf konturierend, ein uneingeschränktes Vergnügen: Christiane Libor als Brünnhilde, Daniel Kirch als Siegfried, Shigeo Ishino als Gunther, Esther Dierkes als Gutrune, Stine Marie Fischer in der kleinen Rolle der Waltraute, allen voran aber der Gast aus Mannheim Patrick Zielke als Hagen in Personalunion mit seinem eigenen Vater Alberich. Er brilliert auch schauspielerisch, ein Intrigant und Mörder, ganz ohne die üblichen Klischees des Bösewichts.



Götterdämmerung an der Staatsoper Stuttgart | Foto (C) Matthias Baus

Thomas Rothschild - 30. Januar 2023
ID 14027
GÖTTERDÄMMERUNG (Staatsoper Stuttgart, 29.01.2023)
Musikalische Leitung: Cornelius Meister
Regie: Marco Štorman
Bühne: Demian Wohler
Kostüme: Sara Schwartz
Licht: Henning Streck
Chor: Manuel Pujol
Dramaturgie: Ingo Gerlach
Besetzung:
1. Norn ... Nicole Piccolomini
2. Norn ... Ida Ränzlöv
3. Norn ... Betsy Horne
Brünnhilde ... Christiane Libor
Siegfried ... Daniel Kirch
Hagen/ Alberich ... Patrick Zielke
Gunther ... Shigeo Ishino
Gutrune ... Esther Dierkes
Waltraute ... Stine Marie Fischer
Woglinde ... Eliza Boom
Wellgunde ... Linsey Coppens
Floßhilde ... Martina Mikelić
Staatsopernchor Stuttgart
Staatsorchester Stuttgart
Premiere war am 29. Januar 2023.
Weitere Termine: 12., 19.02./ 12.03./ 10.04.2023


Weitere Infos siehe auch: https://www.staatsoper-stuttgart.de/


Post an Dr. Thomas Rothschild

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Das Rheingold (Staatsoper Stuttgart, 21.11.2021)

Die Walküre (Staatsoper Stuttgart, 18.04.2022)

Siegfried (Staatsoper Stuttgart, 09.10.2022)



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