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La gaza ladra am Theater an der Wien
Foto (C) Monika Rittershaus

Bewertung:    



Der Titel La gazza ladra (Die diebische Elster) torpediert eine mögliche Spannungsdramaturgie. Darüber hinaus nimmt ein in einem Film zur bekannten Ouvertüre projizierter Elsternflug, der auf dem mit Glitzerzeug gefüllten Nest endet, die Pointe vorweg.

Das traditionsreiche THEATER AN DER WIEN muss seine Aufführungen wegen Sanierung zurzeit in die große Halle des Messequartiers verlegen, die sich schon vor Jahren bei den Wiener Festwochen für Opern bewährt hat. Die Atmosphäre ist eine fundamental andere, aber selbst ein Rossini nimmt dadurch keinen Schaden. Das ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter der Leitung von Antonio Fogliani rückt im doppelten Wortsinn in den Vordergrund und droht gelegentlich den Gesang zuzudecken, erfreut jedoch mit seinem vollen Klang, der die Rossinische Verspieltheit und auch die gelegentlichen sentimentalen Passagen niemals erdrückt.

Die Bühne ist, bei hoch gezogener Filmleinwand, in sechs Räume auf zwei Ebenen unterteilt. Dort steht auch das Klavier, von dem aus der ansonsten unterbeschäftigte steif da sitzende Pianist die Rezitative begleitet.

Der Regisseur Tobias Kratzer hält den wie stets formidablen Arnold Schoenberg Chor zu moderater Bewegung an, gruppiert ihn wohlkalkuliert über die breite Bühne, integriert die Solisten einzeln und zu mehreren in seine Arrangements. Einzelne Szenen wirken wie Miniaturen, etwa wenn Ninetta den Podestà in die Irre zu führen versucht, indem sie, wie später der „Lügendmitrij“ Grigorij Otrepjew in der Schenkenszene von Boris Godunow, einen Steckbrief verfälschend vorliest, um vom anwesenden Gesuchten abzulenken. Das Miteinander und Gegeneinander der Stimmen wird in den Ensembleszenen mit musikalischem Verstand inszeniert. Vor dem in einer Opera semiseria erwartbaren glücklichen Ende wird Ninetta, auch von der Musik, in die Enge getrieben. Hier, in der Gerichtssaalszene, ist Kratzer näher am Grauen der Gretchentragödie als am Zerbrochnen Krug. Am Schluss wird der tatsächlich Schuldige, die diebische Elster, erschossen. Aber sie darf im Museumsquartier auferstehen und ihren filmischen Flug fortsetzen, um sich neue Beute zu holen.

Aus dem Solistenensemble seien Nino Machaidze als die zu Unrecht des Diebstahls verdächtigte Ninetta, Paolo Bordogna, kraftvoll und wohltönend, als deren Vater, Diana Haller in der Hosenrolle des Pippo und der filigrane Tenor Maxim Mironov als der jugendliche Liebhaber Giannetto hervorgehoben. Lediglich der Podestà Nahuel Di Pierro verfehlt in seiner Geilheit nicht nur die wahre Übeltäterin – die Elster eben –, sondern auch die Töne, die er singen sollte.

Nicht verständlich ist nach diesem Abend, warum Die diebische Elster so selten aufgeführt wird. Überlebt hat nur die Ouvertüre. In Wunschkonzerten und auf Klassik Radio, der Ausspeisung für Kurzatmige.




La gaza ladra am Theater an der Wien | Foto (C) Monika Rittershaus

Thomas Rothschild - 19. November 2022
ID 13919
LA GAZZA LADRA (Museumsquartier Halle E, 18.11.2022)
Musikalische Leitung: Antonino Fogliani
Inszenierung: Tobias Kratzer
Bühne und Kostüme: Rainer Sellmaier
Licht: Michael Bauer
Video: Manuel Braun und Jonas Dahl
Dramaturgie: Bettina Bartz
Besetzung:
Fabrizio Vingradito ... Fabio Capitanucci
Lucia ... Marina de Liso
Giannetto ... Maxim Mironov
Ninetta ... Nino Machaidze
Fernando Villabella ... Paolo Bordogna
Gottardo ... Nahuel Di Pierro
Pippo ... Diana Haller
Isacco ... Riccardo Botta
Antonio ... Johannes Bamberger
Giorgio ... Timothy Connor
Ernesto ... Alexander Aigner
Arnold Schoenberg Chor
(Einstudierung: Erwin Ortner)
ORF Radio-Symphonieorchester Wien
Premiere am Theater an der Wien: 16. November 2022.
Weitere Termine: 20., 23., 25., 27.11.2022


Weitere Infos siehe auch: https://www.theater-wien.at/


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