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Repertoire

Der Traum

vom großen

Geld



Zwei Krawatten an der Staatsoperette Dresden | Foto (C) Pawel Sosnowski

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Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte die einstmals populäre Gattung der Operette eine anhaltende Krise. Häuser, die sich auf sie spezialisiert hatten, verschwanden von der Bildfläche, andere, allen voran die Wiener Volksoper unter Marcel Prawy, versuchten, beginnend mit Kiss Me Kate, ihr Glück mit dem Broadway-Musical, aber der anhaltende Erfolg wurde ihnen bald von patentierten Franchise-Produkten der hirnlosen Art gestohlen.

Heute befindet sich das einzige spezialisierte Operettentheater Deutschlands, das sich STAATSOPERETTE DRESDEN nennt, tatsächlich aber städtisch ist, in einem stillgelegten und aufwendig restaurierten Heizkraftwerk unweit der historischen Altstadt. Das Design des Zuschauerraums ist modern, die technische Ausstattung beeindruckend, die Mischung aus traditionellem Musiktheater und unbürgerlicher Veranstaltungsarchitektur gelungen.

*

Dogmatisch scheint die Staatsoperette ihren Namen freilich nicht zu verstehen. Mit Operette haben Zwei Krawatten von Georg Kaiser, dem expressionistischen Autor der Theaterstücke Von morgens bis mitternachts oder Gas, und dem Komponisten Mischa Spoliansky weder musikalisch, noch inhaltlich, noch in der Form etwas zu tun. Es handelt sich vielmehr um eine typische Revue im Stil der nur scheinbar „goldenen“ zwanziger Jahre, die im Schatten der Fernsehserie Babylon Berlin zu neuem Leben erweckt wird. In der deutschen Hauptstadt bildete sich damals, im Vorfeld der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, eine eigene Spielart des amerikanischen Vorbilds am Broadway und im Film heraus. Gespielt wird, revueadäquat, auf einer steilen Treppe mit den Musikern am Rande. In Dresden tritt auch eine Imitation der Comedian Harmonists auf, deren Karriere gerade begonnen hatte, als die Zwei Krawatten, mit unter anderem Hans Albers und Marlene Dietrich, uraufgeführt wurden. Sie singen so bekannte und bis heute gecoverte Hits von Mischa Spoliansky wie "Wie werde ich glücklich, wie werde ich froh", "Heute Nacht oder nie" oder "Ich weiß das ist nicht so".

Apropos Amerika. Die Haltung, insbesondere auch der europäischen Linken, war ambivalent. Werke des jungen Brecht wie auch etwa Majakowskijs, Egon Erwin Kischs oder Ernst Tollers zeugen davon. Die Faszination, die vom (damals nicht in Frage gestellten) technischen Fortschritt ausging, konkurrierte mit der Abscheu gegenüber einer vom „großen Geld“ bestimmten Gesellschaft. Genau dies ist auch der Hintergrund von Zwei Krawatten. Die Revue übt Kapitalismuskritik der milden Sorte. Die wohlfeile Moral: „Manches kann man eben auch mit Geld nicht kaufen.“ Wie antwortet Woody Allen? „Geld ist besser als Armut - wenn auch nur aus finanziellen Gründen.“

Zu den Zutaten der Show zählen hinzugefügte Songs, ein Komikerpaar mit pantomimischen Tricks, tänzerische Einlagen und nackerte Körper. Und was, wenn nicht ein Lob auf das (geschlechtliche) Anders-Sein, rechtfertigte diesen Rückblick in das vergangene Jahrhundert. Jedenfalls ins Jahr 1929. Ein paar Jahre später wurden Typen mit vorgeschobener Hüfte, wie man sie hier bestaunt, verfolgt und ermordet. Diese Wahrheit will man freilich den Enkeln der Mörder in der Staatsoperette nicht zumuten.



Zwei Krawatten an der Staatsoperette Dresden | Foto (C) Pawel Sosnowski

Thomas Rothschild - 13. Juni 2022
ID 13672
ZWEI KRAWATTEN (Staatsoperette Dresden, 12.06.2022)
Die Revue vom Großen Los

Musikalische Leitung: Johannes Pell
Regie: Matthias Reichwald
Bühne: Karoly Risz
Kostüme: Alexandre Corazzola
Choreographie: Volker Michl
Dramaturgie: Judith Wiemers
Besetzung:
Jean ... Jörn-Felix Alt
Trude ... Devi-Ananda Dahm
Mabel ... Stefanie Dietrich
Bannermann ... Elmar Andree
Mrs. Robinson ... Silke Richter
Charles / Senator ... Christian Grygas
Hochstapler ... Marcus Günzel
Flitzer ... Christian Clauß und Benjamin Pauquet
Agenten ... Wolfram von Bodecker und Alexander Neander
Herrenquintett: Michael Kuhn, Andreas Pester, Friedemann Condé, Georg Güldner und Daniel Müller
Premiere war am 12. April 2022.
Weitere Termine: 22., 23.06. / 12., 13.07.2022


Weitere Infos siehe auch: https://www.staatsoperette.de/


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