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Pene Pati als Mitridate, Re di Ponto - an der Staatsoper Unter den Linden | Foto (C) Bernd Uhlig
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Bewertung:
"...ich kann nicht viell schreiben, dann die Finger thuen sehr weh von so viell Recitativ schreiben", steht in einem Mailänder Brief des 14-jährigen Mozarts an seine Mama, da wird er in der kompositorischen Schlussphase seines Mitridate gewesen sein.
"Recitativ", das große Reizwort für mich.
Rezitative nerven.
Bei den meisten Händel-Opern grauts mir jedes Mal davor, und ich bin jedes Mal wieder geneigt diese mir nie, nie wieder anzutun, und jedes Mal werde ich wortbrüchig, und immer wieder gibt es neue Agrippina's und Alcina's und Almira's, die ich immer wieder hören will - trotz ihrer immer wieder (für mich) grauenvollen Rezitativierereien.
Händel starb im Jahre 1759, mit 74 - Mozart war erst 35, als er 1791 von uns ging. Geht man von den zwei Geburtsjahren (1695, 1756) aus, trennen beide zirka drei Generationen. Mit 1770 (dem Uraufführungsjahr von Mitridate, Re di Ponto) begann die Epoche der so genannten "Wiener Klassik", und alles was zwischen 1600 und 1750 musikalisch entstand und geschah, wurde und wird im Allgemeinen mit Barockem epochalisiert.
Ein 14-jähriger schrieb also eine Oper, die man guten Gewissens zwischen Spätbarock und Frühklassik ansiedeln könnte, und mit einer irgendwie vermutbar gewesenen Rotznasig- oder Naseweisigkeit - ein vorpubertärer Jüngling von gerade mal erst 14 Lenzen komponierte das, nicht zu vergessen! - hat sein Mitridate nichts, aber auch gar nichts zu tun.
Zweieinhalb Stunden pure, schönste und erwachsenste Musik, eine permanente Abfolge von kurzweiligen Rezitativen, ausgedehnten und arg artifiziellen Arien, gerade mal einem Duett und einem gutlaunigen Kurz-Schlusschor aller Beteiligten (mit 2 Tenören, 1 Altistin, 1 Altisten, 3 Sopranen), und das alles mit einem instrumentalen Kitt zusammengehalten, der dann schon auf das Authentischste den ganzen späten Mozart (Figaro, Giovanni, Titus) vorerahnen lässt, ihn also aufs Direkte vorwegnimmt.
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Marc Minkowski studierte Mitridate mit "seinem" Originalklangensemble Les Musiciens du Louvre ein, und Matthias Schulz, der leider allzu früh bald scheidende Intendant der Staatsoper Unter den Linden, lud sie ein zu "seinen" diesjährigen BAROCKTAGEN; Schulz rief das Festival 2018 ins Leben, und hoffentlich wird es auch in den nächsten Jahren fortgeführt.
Die Sängerinnen- und Sängerriege ist handverlesen, wahrscheinlich repräsentiert sie das derzeit Beste, was man (hinsichtlich Mitridate) engagieren kann - allen voran die sich mit ihren Koloraturen selbst überbietende Ana Maria Labin (als Aspasia)!
Es gibt traumhafte, ja göttliche Momente beim Hinhören - so zum Beispiel Sifares Sopranarie "Lungi da te, mio bene" mit obligatorischem Horn; Angela Brower singt sie, und der phänomenale Carles Chorda Sanz begleitet sie auf seinem Naturhorn. Nicht von dieser Welt!!
Die Tenöre Pene Pati (in der Titelrolle) und Sahy Ratia (als Marzio) , der Counter Paul-Antoine Bénos-Djian (als Farnace) sowie Altistin Adriana Bignagni Lesca (als Arbate) und Sopranistin Sarah Aristidou (als Ismene) sollen und müssen der Vollständigkeit halber nicht unerwähnt bleiben.
Das Stück frei nach Racine wurde in Anbetracht der zwischen den Kulturen angesiedelten Inszenierung des Japaners Satoshi Miyagi (Ausstattungen: Junpei Kiz, Eri Fukazawa und Kayo Takahashi Deschene) nicht zwingend schlüssiger als seine Vorlage; es gibt beschreitbare Freitreppen eines Inkatempels, aberwitzige und wie in Gold getunkte Kriegerrüstungen, eine Hindupriesterin und traditionelle Geishas und modern anmutende Soldaten und gar schwarze Imker, und das alles am Fuße des Kilimandscharo oder so... Dennoch, durch das Herumgestehe und -gesitze der Protagonistinnen und Protagonisten kommt eine zwanghaft-wohltuende Ruhe und Konzentration ins (musikalische) Gesamtgeschehen, und es wirkt halt wie ein opulentest illustriertes Stehkonzert.
Macht seltsam süchtig.
Und der Saal tobte.
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Angela Brower (Sifare) und Ana Maria Labin (Aspasia) in Mozarts Mitridate - an der Staatsoper Unter den Linden | Foto (C) Bernd Uhlig
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Andre Sokolowski - 8. Dezember 2022 ID 13956
MITRIDATE, RE DI PONTO (Staatsoper Unter den Linden, 07.12.2022)
Musikalische Leitung: Marc Minkowski
Inszenierung: Satoshi Miyagi
Bühnenbild: Junpei Kiz
Wanddesign: Eri Fukazawa
Kostüme: Kayo Takahashi Deschene
Licht: Irene Selka
Choreografie: Yu Otagaki
Dramaturgie: Detlef Giese
Besetzung:
Mitridate, König von Pontus ... Pene Pati
Aspasia ... Ana Maria Labin
Sifare ... Angela Brower
Farnace ... Paul-Antoine Bénos-Djian
Ismene ... Sarah Aristidou
Marzio ... Sahy Ratia
Arbate ... Adriana Bignagni Lesca
Schauspieler ... Ken Sugiyama
Les Musiciens du Louvre
Premiere war am 4. Dezember 2022.
Weitere Termine: 09., 11.12.2022
Weitere Infos siehe auch: https://www.staatsoper-berlin.de/
https://www.andre-sokolowski.de
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