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Unsentimental

François-Xavier Roth "entkitscht" den neuen Münchner LOHENGRIN - das hört sich ziemlich gut an!


Klaus Florian Vogt als Lohengrin an der Bayerischen Staatsoper | Foto (C) Wilfried Hösl

Musikalische Bewertung:    



Spätestens als er 2019 Tristan und Isolde dirigierte, dürfte den aus diesem Anlass anwesenden Sachverständigen endgültig klar geworden sein, dass François-Xavier Roth, der Kölner Generalmusikdirektor und Leiter des berühmten Gürzenich-Orchesters (leider nur noch bis 2025!), nicht nur dies- und jenseits des Rheins ein deutlich' Wörtchen - v.a. auch in puncto Wagner - allernächstens mitzureden haben würde und er daher für weit andere diverse Posten außerhalb der Domstadt unbedingt infrage kommt; das SWR-Sinfonieorchester, beispielsweise, hat ihn ab 2025/26 als Nachfolger von Teodor Currentzis unter Vertrag genommen.

Roths Bekannt- oder Berühmtheitsgrad resultiert zudem nicht nebensächlich aus seiner Gründer- und Chefposition von LES SIÈCLES, einem Originalklangensemble mit Musikerinnen und Musikern aus mehreren französischen Spitzenorchestern, das er 2003 ins Leben rief und womit er sich die unanfechtbare Expertise in Sachen historische Aufführungspraxis nach und nach erarbeitete, will sagen:

Roth konnte und kann so ziemlich alles!



François-Xavier Roth | Foto (C) Marco Borggreve; Bildquelle: fxroth.com


Auch die BAYERISCHE STAATSOPER schien überfällig auf den hochumworbenen Franzosen aufmerksam geworden zu sein, weswegen sie ihn aktuell mit der musikalischen Einstudierung und Leitung ihres neuen Lohengrins betraute - wir hörten uns das jetzt (in der vierten Vorstellung nach der Premiere) im Münchner Nationaltheater an und konstatierten eine mehr oder weniger durch ihn beabsichtigte und vollzogene "Entkitschung" dieser romantischsten aller romantischen Opern. Und sowohl das Bayerische Staatsorchester als auch Chor & Extrachor der Bayerischen Staatsoper, und freilich auch die teils illuster aufgebotene Gesangssolistinnen-/ solistencrew setzten das artig um, was ihnen Roth an temporeicher und mitunter allzu zügiger und durchaus entmystifizierter Darreichungsart anzubieten willens war. So ging der dreiteilige Abend gut gelaunt und ziemlich rasch über die Bühne. Und auch wenn Roths Interpretationsweise schon deutlich als ein sehr markanter Abgrenzungsversuch z.B. auch zu Thielemanns unnachahmlich-phosphoreszierendem Bayreuther Lohengrin verstanden werden könnte - im dritten Akt nahm Roth sich dennoch (spätestens ab der Verabschiedungstrauer des Titelhelden mit "Mein lieber Schwan") deutlich zurück und gab dem unvergleichlich ewig anmutenden Lohengrin Klaus Florian Vogts die Möglichkeit sich aufs Zeremoniellste von den irdisch Lebenden nach Monsalvat hinwegzuheben...

*

Der vom Film und Sprechtheater kommende ungarische Regisseur Kornél Mundruczó (Látszatélet/ Imitation of Life, Wiener Festwochen 2016) inszenierte, die lettische Bühnenbildnerin Monika Pormale und die polnische Kostümdesignerin Anna Axer Fijalkowska waren für die Ausstattung verantwortlich. Zusammen fabrizierten sie ein durch und durch bescheuert anzuschauendes Spektakel, das die krude Handlung nicht im mindesten zu dechiffrieren, geschweige denn intelligent-ironisch zu brechen vermochte. Mit das Schlimmste dieser Produktion war'n die Klamotten; alle, oder fast alle, trugen beige Sweatshirts, und sieben rote Feuerwehrschläuche (so sah es jedenfalls aus) dienten dem spärlich stilisierten Münster als umschleifende Zierde.

Weil der grandios aus sich heraus singende Chor überwiegend zu weit vorn und v.a. viel zu nah bei den Protagonistinnen und Protagonisten positioniert war, sie geradezu bedrängend umschloss, hatte die Star-Riege Mühe und Not, gegen dieses Bollwerk anzukämpfen; bei Anja Kampe (als Ortrud-Furie par exzellence) artete das letztlich in kraftmeierisches Schreien aus.

Sonor und souverän hingegen, fast schon edel: Mika Kares (als König Heinrich).

Johanni van Oostrum (als Eva): ohne Vibrationsgelüst, gottlob.

Der junge André Schuen (als Heerrufer): klang gut und sah gut aus.

Und Johan Reuter (als Friedrich von Telramund): professionell und dennoch unauffällig.

Fazit: Musikalisch hochinteressant, regielich ein Debakel sondergleichen.



Lohengrin an der Bayerischen Staatsoper | Foto (C) Wilfried Hösl

Andre Sokolowski - 16. Dezember 2022
ID 13965
LOHENGRIN (Nationaltheater München, 14.12.2022)
Musikalische Leitung: François-Xavier Roth
Inszenierung: Kornél Mundruczó
Mitarbeit Regie: Marcos Darbyshire
Bühne: Monika Pormale
Kostüme: Anna Axer Fijalkowska
Licht: Felice Ross
Dramaturgie: Kata Wéber und Malte Krasting
Chor: Tilman Michael
Besetzung:
Heinrich der Vogler ... Mika Kares
Lohengrin ... Klaus Florian Vogt
Elsa von Brabant ... Johanni van Oostrum
Friedrich von Telramund ... Johan Reuter
Ortrud ... Anja Kampe
Heerrufer des Königs ... Andrè Schuen
Brabantische Edle ... Liam Bonthrone, Granit Musliu, Gabriel Rollinson und Roman Chabaranok
4 Edelknaben ... Solist(en) des Tölzer Knabenchors
Extrachor der Bayerischen Staatsoper
Bayerischer Staatsopernchor
Bayerisches Staatsorchester
Premiere an der Bayerischen Staatsoper: 3. Dezember 2022
Weitere Termine: 17., 21.12.2022// 16., 19.07.2023


Weitere Infos siehe auch: https://www.staatsoper.de/


https://www.andre-sokolowski.de

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