Mord und
Totschlag,
gesänftigt
Verdis I VESPRI SICILIANI an der Mailänder Scala
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I Vespri Siciliani an der Mailänder Scala | Foto: Brescia e Amisano (C) Teatro alla Scala
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Bewertung:
Heute (21. Februar) traf sich Giorgia Meloni, nach deren vorjähriger Wahl zur neuen italienischen Ministerpräsidentin man hierzulande glaubte, dass nunmehr der italienische Faschismus über das nicht nur von uns Deutschen so sehr geliebte Bella Italia mit voller Brachialgewalt (wieder-)hereinbrechen würde, mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, um ihre verlässliche Verbundenheit mit der von Putin vor einem Jahr hinterrücks überfallenen Ukraine zu demonstrieren - das schien zunächst nicht allzu selbstverständlich, wenn man den wirren, ja skandalösen Äußerungen eines ihrer rechtspopulistischen Koalitionspartner, des Anführers der Forzia Italia, trauen wollte: Silvio Berlusconi (früher selber italienischer Ministerpräsident) verstieg sich doch tatsächlich zu der abenteuerlichen Behauptung, die russische Invasion in der Ukraine hätte erst gar nicht stattfinden brauchen, wenn Selenskyj seinerseits den "Angriff" auf zwei Regionen im Osten der Ukraine eingestellt hätte. "Ich habe Berlusconis Erklärungen gehört. Ich kenne ihn nicht persönlich. Aber vielleicht müssen wir ihm auch etwas schicken. Mag er Wodka? Unserer in der Ukraine ist von sehr guter Qualität, also werden wir ihm welchen schicken, wenn er das möchte", äußerte sich der von Berlusconi so "Beschuldigte" nicht unsarkastisch in einem Interview mit der Agentur Corriere Della Sera...
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Der inzwischen ein Jahr andauernde Ukrainekrieg hat auch in nahezu allen Bereichen von Kunst & Kultur seine Spuren hinterlassen. Und so konnte/ kann es nicht verwundern, dass ihn selbst ein derart traditionsreiches und konservatives Opernhaus wie die Mailänder Scala in der einen oder anderen Besichtungsweise sich zum Thema nimmt. War es zu Beginn der laufenden Saison der Versuch mittels Mussorgskis Boris Godunow auf die imperiale "Grund-Psyche" russischer Zaren aufmerksam machen zu wollen - versuchte sie es nunmehr mittels Verdis Sizilianischer Vesper ein zeitloses Gleichnis zu den heutigen Kriegsgräueln und dementsprechenden menschlichen Abgründen zu vermitteln; und ich sage es sogleich und frei heraus, dass das - hinsichtlich Verdis monumentaler Risorgimento-Oper I Vespri Siciliani - nur ansatzweise und in hilflosen Versuchsanordnungen gelang.
Der Argentinier Hugo De Ana (74), der seines Zeichens sowohl für die Regie als auch die Ausstattung (Bühne, Kostüme) verantwortlich zeichnete, stellte in den ersten beiden Bildern seiner Inszenierung eine mordsmäßig große Haubitze neuerer (deutscher?) Produktion sowie einen alten Panzer sowjetischer Bauart (T 34?) hinter bzw. zwischen den exzeptionell gut singenden, aber leider nicht mehr als bloß herumstehenden Chor; ja und das war es dann auch schon mit der von mir anfangs vermuteten Ukraine-Aktualisierung. Sowieso: Es flachte, was die eigentlich zu vermuten gewesenen Gewaltexzesse und Gefühlsausbrüche anbelangte, immer mehr und immer weiter ab - zum Schluss verknotete sich die an sich wenig bzw. gar nicht nachvollzieh- und nacherzählbare Opernhandlung in privates Klein-Klein; so trug die Hauptfigur Ninetta (gesanglich gut bis sehr gut, schauspielernd nicht mehr als bieder: Valentina Pluzhnikova) ein hässlich-buntes Hochzeitskleidchen, und der sie umschmachtende und um sie kämpfende Matteo Lippi (als Arrigo) sang leidenschaftlich auf sie ein; dazu gab's reichlich Ringelreih'-Einlagen mit Tänzerinnen und Tänzern des (hauseigenen?) Balletts, die grauenhafte Choreografie hierzu besorgte Leda Lojodice.
Immerhin: Fabio Luisi hielt musikalisch das Heft in seiner Hand, und so gesehen und gehört blieben am Ende, wenigstens rein musikalisch, keine Fragen offen. Das Orchestra del Teatro alla Scala war und ist und bleibt 'ne Wucht!
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I Vespri Siciliani an der Mailänder Scala | Foto: Brescia e Amisano (C) Teatro alla Scala
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Andre Sokolowski - 21. Februar 2023 ID 14056
I VESPRI SICILIANI (Teatro alla Scala, 17.02.2023)
Musikalische Leitung: Fabio Luisi
Regie, Bühne und Kostüme: Hugo De Ana
Licht: Vinicio Cheli
Choreinstudierung: Alberto Malazzi
Choreografie: Leda Lojodice
Besetzung:
Guido di Monforte ... Roman Burdenko
Lord of Bethune ... Andrea Pellegrini
Count Vaudemont ... Adriano Gramigni
Arrigo ... Matteo Lippi
Giovanni da Procida ... Simon Lim
Duchess Elena ... Marina Rebeka
Ninetta ... Valentina Pluzhnikova
Danieli ... Giorgio Misseri
Tebaldo ... Bryan Avila Martinez
Roberto ... Christian Federici
Manfredo ... Andrea Tanzillo
Teatro alla Scala Orchestra and Chorus
Premiere an der Mailänder Scala: 28. Januar 2023
Weiterer Termin: 21.02.2023
Weitere Infos siehe auch: https://www.teatroallascala.org
https://www.andre-sokolowski.de
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