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Händels Saul an der Komischen Oper Berlin | Foto (C) Barbara Braun

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Die erste Spielzeit der beiden neuen KOB-Intendanten Susanne Moser & Philip Bröking neigt sich ihrem Ende, und schon blicken sie auf eine noch herausforderndere Saison 2023/24, denn nach Händels Saul (am 10. Juni) schließt das baulich in die Jahre gekommene Gebäude in der Behrenstraße, um nach einer umfassenden Grundsanierung, Modernisierung und Erweiterung (Neubau mit Dachterrasse!) planmäßig 2028 wiederzueröffnen; hoffentlich. Und in der Zwischenzeit wird halt in dem für so Interimszwecke sich gut bewährt habenden Schillertheater im Westberliner Stadtbezirk Charlottenburg gespielt - die Staatsoper Unter den Linden und (zuletzt) die Komödie am Kurfürstendamm hatten mit dieser Ausweichstätte nicht die schlechtesten Erfahrungen gesammelt. Spielzeitauftakt dort wird am 15. Oktober sein, und dreizehn Tage später findet schon die erste KOB-Premiere mit dem Musical Chicago (Inszenierung: Barrie Kosky) statt. Doch auch an andern Orten wird die Komische Oper Berlin tatkräftig auf sich aufmerksam zu machen versuchen - eines der diesbezüglich spektakulärsten Projekte dürfte Henzes monumentales Floß der Medusa (mit weit über 300 Mitwirkenden!) sein; Tobias Kratzer stemmt es in den Hangar 1 vom ehemaligen Flughafen Tempelhof, und als Premiere ist der 16. September angezeigt.

Und jetzt noch kurz zu Saul, der letzten neuen Produktion im alten Haus - ich weilte gestern Abend in der Zweitvorstellung:


"Nachdem der Hirte David den Heerführer der feindlichen Philister, Goliath, mit einem Steinwurf niedergestreckt hat, zieht er als siegreicher Held in den israelitischen Hof ein. Der Jubel des Volks ist groß – zu groß für den Geschmack des zunächst ebenfalls begeisterten König Saul. Hin- und hergerissen zwischen Eifersucht und bodenloser Schwermut, die einzig Davids Harfenspiel lindern kann, setzt er dennoch bald alles daran, David aus dem Weg zu schaffen. Sauls Sohn Jonathan aber hält zu David, ebenso Tochter Michal. Als sich zuletzt auch Sauls zweite Tochter, Merab, zu David bekennt, beschließt der König Davids Tod. Die Prophezeiung aber sagt: Sauls Stern wird sinken, aufsteigen aber der des Hauses David." (Quelle: komische-oper-berlin.de)

*

Der Filmemacher Axel Ranisch (selber Bruder von zwei Schwestern) war besonders neugierig auf die Beziehungskiste zwischen David und den Saul'schen Erbfolgern - Jonathan, Michal, Merab - , die er nach und nach versinnlichen und folgerichtig aufs Dezente sexualisieren tat. So teilten sich im Laufe der Geschichte Jonathan und Michal den von ihnen gleichsam stark Begehrten; und obwohl Michal was später schwanger wurde und ein David-Baby'chen zur Welt brachte, hinderte das den Vater ihres Kindes nicht, auf die erotischen Avancen ihres Bruders aufs Bereitwilligste einzugehen - ein perfekter Dreier also, fast so schön und realistisch, wie er heutzutage manchmal klappt. Aber auch Merab, die den David anfangs überhaupt nicht leiden konnte, fühlte sich was später mehr zu ihm als ihrem Vater hingezogen.

Musikalisch überragte die Produktion das Szenische aufs Dimensionale! David Bates (selbst Gründer des in puncto historische Aufführungspraxis geschulten Ensembles La Nuova Musica, welches auf Händel-Werke hochspezalisiert ist) versetzte insbesondere die Chorsolisten und das Orchester der Komischen Oper Berlin in "Klangbezirke", die dem immanenten Schwung wie transparenten Klang eines wie auch immer vermuteten Originals sehr adäquat entsprochen haben dürften; Kleif Carnarius (Solo-Cello), Sabine Erdmann (Cembalo und Orgelpositiv), Max Hattwich und Neo Gundermann (Theorben), Torsten Näther (Fagott), Jesper Ulfenstedt (Kontrabass) und Vincent Kibildis (Barockharfe) wurden für das Continuo in den KOB-Orchestergraben zusätzlich und sozusagen einbestellt.

Auch die solistischen Gesangspartien: handverlesen. Allen voran [s. Dreier- resp. Viererkiste oben] der Countertenor Aryeh Nussbaum Cohen (als David), Rupert Charlesworth (als Jonathan), Nadja Mchantaf (als Michal) und Penny Sofroniadou (als Merab). Und ganz selbstverständlich lieferte auch Luca Tittoto in der Titelrolle.



Händels Saul an der Komischen Oper Berlin | Foto (C) Barbara Braun


Nach Absolvierung des Händel'schen HWV 53 wurde mir dann noch, quasi als Zugabe, das Kitschliedlein King David des englischen Komponisten Herbert Howells (1892-1983) zugemutet; das empfand ich allerdings als einen widerlichen Stilbruch ergo völlig überflüssig!!

Andre Sokolowski - 31. Mai 2023
ID 14224
SAUL (Komische Oper Berlin, 30.05.2023)
Musikalische Leitung: David Bates
Inszenierung: Axel Ranisch
Bühnenbild: Falko Herold
Kostüme: Alfred Mayerhofer
Dramaturgie: Johanna Wall
Chöre: David Cavelius
Licht: Michael Bauer
Besetzung:
Saul ... Luca Tittoto
David ... Aryeh Nussbaum Cohen
Jonathan ... Rupert Charlesworth
Michal ... Nadja Mchantaf
Merab ... Penny Sofroniadou
Hohepriester ... Tansel Akzeybek
Hexe von Endor ... Ivan Turšić
Geist Samuels ... Stephen Bronk
Doeg ... Ferhat Baday
Ein Amalekiter ... Ferdinand Keller
Chorsolisten und Orchester der Komischen Oper Berlin
Premiere war am 27. Mai 2023.
Weitere Termine: 01., 04., 10.06.2023


Weitere Infos siehe auch: https://www.komische-oper-berlin.de


https://www.andre-sokolowski.de

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