Lieder
ohne Worte
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Zum zweiten Mal veröffentlicht ECM ein Doppelalbum mit späten Klavierwerken Schuberts, gespielt von András Schiff. Es sind dies vier Impromptus, die Sonaten in c-Moll und A-Dur aus dem Todesjahr des Komponisten sowie die Drei Klavierstücke D 946.
András Schiff verleiht auch den bekannteren Stücken eine innere Spannung und Bewegtheit durch subtile Tempoverschiebungen, durch Rubati, die aber, ebenso wie die dynamischen Unterschiede, nicht aufdringlich daherkommen. Das ist Klaviermusik im emphatischen Sinne, zugleich aber verweist sie auf den Liederkomponisten. Ausdruck bedarf keiner Worte.
Die Dramaturgie der CD ist beachtenswert. Schiff befindet sich von Anfang an auf dem Gipfel pianistischer Kunst, und doch erreicht er mit dem letzten Satz der A-Dur-Sonate einen atemberaubenden Höhepunkt. Was Schubert anbietet – eine Coda, die sich anhört wie ein Wettbewerb der Motive, wie die zögerliche Suche nach dem definitiven Ende –, arbeitet er so subtil, so fesselnd heraus, dass man den Eindruck gewinnt, darauf könne nichts mehr folgen. A Sonata to end all Sonatas.
Eine Besonderheit dieser Aufnahme ist das Instrument, auf dem Schiff spielt, ein Fortepiano von Franz Brodmann aus dem Jahr 1820, also aus den späten Lebensjahren Schuberts. Bei „Originalklang“ denkt man ja eher an Blas- und Streichinstrumente. Aber auch Brodmanns Klavier klingt signifikant anders als ein Flügel von Steinway oder Bösendorfer, der bei Brodmann gelernt hatte, dumpfer, verhaltener, introvertierter im mittleren und tiefen Register, heller, fast schrill in den hohen Tönen.
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Immer wieder gibt es Diskussionen darüber, ob sich Künstler zur Politik äußern dürften oder sollten. Der gebürtige Ungar András Schiff hat sich regelmäßig und mit großer Konsequenz dafür entschieden. Das hindert ihn nicht, sich ganz unideologisch in Schubert zu vertiefen. Politisches Rückgrat muss der Kunst nicht schaden und Kunst nicht dem Charakter. So geht es auch.
Thomas Rothschild – 9. April 2019 ID 11342
Link zum Doppelalbum mit
András Schiff
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