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nachDRUCK # 5

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CD-Kritik

From Croatia

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Blagoje Bersa? Nie gehört. Er wurde 1873 in Dubrovnik geboren und ist 1934 in Zagreb gestorben. Preisfrage: wie viele kroatische Komponisten kennen Sie? Ein Volk von musikalischen Analphabeten? Eine Weltgegend, in der in den fast 650 Jahren seit der Schlacht auf dem Amselfeld nichts passiert ist? An der kroatischen Grenze konnte man in Riesenbuchstaben lesen: „FAR FROM RUSSIA, CLOSE TO ITALY. BETWEEN YU AND EU. BETWEEN CUBA, BEFORE CÔTE D‘IVOIRE“. So selbstironisch kann die Rhetorik eines kleinen Landes sein.

Bersa lebte vorwiegend in Zagreb, aber auch sechzehn Jahre in Wien. (Zur Erinnerung: vor 1918 gehörte Kroatien zur Österreichisch-Ungarischen Monarchie, was bis heute sinnfällig wird, wenn man einen Spaziergang durch Zagreb macht.)

Auf dem hänssler-Label ist jetzt unter dem schlichten Titel Lieder eine Doppel-CD erschienen mit Ersteinspielungen von 23 Kompositionen Bersas. Sie sind nicht weniger als eine Entdeckung, die sich niemand entgehen lassen sollte, der das Genre liebt. Der Einfluss von Franz Schubert, der für das Kunstlied so bedeutend ist wie kaum ein Zweiter, meldet sich aus jeder Phrase. Das ist insofern erstaunlich, als zwischen Schubert und Bersa der Zeitraum eines Jahrhunderts liegt. Wer in Kategorien der linearen, teleologischen Entwicklung in den Künsten denkt, muss Bersas Liedschaffen als anachronistisch betrachten. Man kann sich aber auch, unabhängig vom Zeitpunkt seiner Entstehung, an seiner Schönheit erfreuen.

Zu der Reminiszenz an Schubert passt es, dass Blagoje Bersa für seine deutschsprachigen Lieder, die mit kroatischen konkurrieren, bevorzugt Texte von Romantikern wie Herder und Heine wählt. Hinzu kommen Übersetzungen von unter anderem Ibsen und Lermontov. Höhepunkt ist die zehnminütige Herder-Ballade Edward, ein Musterbeispiel der Gattung. Die kroatischen Texte stammen zu einem großen Teil vom Vater der Verfasserin der österreichischen Bundeshymne Petar Preradović und von Blagoje Bersas Bruder Josip. Die Musik überrascht, anders als in den deutschsprachigen Liedern, immer wieder mit folkloristischen Anklängen.

So interessant das musikalische Material ist: es kommt erst zu voller Geltung durch die kraftvolle Stimme von Krešimir Stražanac, der, begleitet von Krešimir Starčević am Klavier, auf die Bedeutung der Texte eingeht und sie nuanciert vorträgt, ohne die Komposition zu beschädigen.



Thomas Rothschild – 13. November 2024
ID 15009
jpc-Link zur CD mit Liedern von Blagoje Bersa (1873-1934)


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