Aus der
Glanzzeit
des Musicals
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Der patentierte Monumentalkitsch von Andrew Lloyd Webber hat, jedenfalls außerhalb der englischsprachigen Länder, die Meisterwerke des Genres Musical aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus den Spielplänen und dem Gedächtnis verdrängt. Zu den Champions dieser Kunstform gehörten der Komponist Richard Rodgers (1902-1979) und der Autor Oscar Hammerstein II (1895-1960), die als Team auftraten wie Gilbert & Sullivan oder George und Ira Gershwin.
1945 fand am Broadway – wo sonst? – die Uraufführung von Carousel statt, das auf dem so gar nicht amerikanischen Erfolgsstück Liliom von Ferenc Molnár basiert. Die Musik, die sich Richard Rodgers dazu hat einfallen lassen, ist so hinreißend, dass man kaum verstehen kann, wieso sich die deutschen Bühnen diesen Knüller entgehen lassen. Das Chandos-Label hat jetzt eine in London aufgenommene komplette Einspielung in einer Box mit zwei CDs und einem informativen Beiheft inklusive Libretto vorgelegt, die sich zumindest anhören sollte, wer Evita für einen Höhepunkt des Musiktheaters hält.
Schon die Ouvertüre, ein Walzer, der den Titel und den Ort der Handlung, einen Vergnügungspark, beschwört, versetzt den Hörer in eine animierte Stimmung. Und so geht es über 32 Titel bis zum sentimental-ambivalenten Ende. Der Song "You’ll Never Walk Alone" wurde auch außerhalb des dramatischen Kontexts ein Smash-Hit und wurde von zahllosen Sängerinnen und Sängern in ihr Repertoire integriert.
Carousel nimmt in der Geschichte des Musicals eine besondere Stellung ein, weil es über die stellenweise der Oper angenäherte, ausufernde Musik hinaus einen Stoff zur Grundlage hat, der läppische Klischees vermeidet. Nicht zufällig konnte Liliom, im Gegensatz zu fast allen anderen Stücken Molnárs, auf den Bühnen bis heute überleben, es wurde auch mehrfach von prominenten Regisseuren verfilmt, von Michael Curtiz (damals noch Mihály Kertész), von Frank Borzage, von Fritz Lang. Mit der Musical-Variante liegt hier ein starkes Argument für Gattungstransformation vor, die so oft schief geht.
Thomas Rothschild – 15. September 2024 ID 14915
Chandos-Link zu
Carousel
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