Der King
des C&W
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Bewertung:
Der nordamerikanische Heimatfilm spielt nicht auf der Alm. Der nordamerikanische Heimatfilm ist der Western. Seine musikalische Entsprechung hat zwei Heimatstädte: New Orleans und Nashville. New Orleans war und ist weitgehend noch das Zentrum der „schwarzen“ Heimatmusik, des Blues und des Gospel. In Nashville hat die „weiße“ Heimatmusik ihr Zentrum, Country & Western, mit fließenden Grenzen zum Honky Tonk, zum Hillbilly und zum Rockabilly. Sie gilt, nicht ganz ohne Berechtigung, als musikalisch und thematisch reaktionär. Aber wie das halt so ist: Auch das Reaktionäre kann Menschen, die sich für fortschrittlich halten, erfreuen. Die Western, die sich Linke in den fünfziger Jahren mit Begeisterung reinzogen, waren zu einem guten Teil rassistisch, machistisch, eben reaktionär.
Einer der Superstars von C&W war Hank Williams, der 1923 geboren wurde und keine 30 Jahre alt wurde. Einige seiner Songs wurden Evergreens und unzählige Male gecovert. Unter dem Titel eines seiner größten Erfolge, Lovesick Blues, ist jetzt eine Doppel-CD mit 58 Songs aus den Jahren 1946-1952 erschienen. Es handelt sich, typisch für C&W, um religiöse Lieder ("I Saw The Light, Jesus Remembered Me"), Liebeslieder und Lieder von unglücklicher Liebe ("Last Night I Heard You Crying In Your Sleep", "They’ll Never Take Her Love From Me", "My Son Calls Another Man Daddy", "Wedding Bells"), Balladen von Außenseitern, Hobos und der Eisenbahn ("Ramblin’ Man", "I Heard That Lonesome Whistle", "Pan American"), Talking Blues ("Everything’s Okay"), der mit dem Blues wenig zu tun hat; Johnny Cash war sein Meister, und Hannes Wader hat ihn in die deutsche Liedermacherei eingebracht. In anderen Songs übernimmt Hank Williams das zwölftaktige Schema des Blues, jedoch ohne dessen Feeling.
Typisch für C&W ist auch die Instrumentalbegleitung, die noch Spuren der irischen Einwanderer enthält. Sie besteht in der Regel aus Gitarre, Steel Guitar, Fiddle, Bass und Mundharmonika und macht einen entscheidenden Teil des Reizes aus, den C&W immer noch auszuüben vermag. Die Gitarre spielt Hank Williams selbst, und die wenigen Soli beweisen, dass er dabei kein Stümper ist. Die Melodien der Songs sind eher schlicht, und die Stimme von Hank Williams hat noch nicht das Charisma, das Sänger des Rock’n’Roll bald nach seinem Tod aufwiesen. Hank Williams beherrschte die Kunst des Yodeling, das mit dem süddeutschen und österreichischen Jodeln verwandt ist. Womit wir wieder beim Heimatfilm wären.
Ein Sonderlob gebührt der Restauration. So also kann man mit den heutigen Techniken Aufnahmen aus den vierziger und fünfziger Jahren klingen lassen.
Thomas Rothschild – 21. Juli 2023 ID 14299
Link zur CD
Lovesick Blues
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