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CD-Kritik

Aufgegeigt





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Die Violine ist von Haus aus kein Jazzinstrument. Es war Stéphane Grappelli, der die Violine in den dreißiger Jahren in der Nachbarschaft von Django Reinhardt im Jazz etabliert hat. In seinen Spuren haben Geiger wie Jean-Luc Ponty oder Michał Urbaniak ihr Instrument im Jazz durchgesetzt.

Es kann nicht verwundern, dass diese Ansätze im Third Stream, der Symbiose von sogenannter E- und U-Musik, ihren Niederschlag fanden. Der österreichische Violinist Benjamin Schmid hat auf seiner jüngsten CD unter dem Titel Jazz Violin Concertos drei Kompositionen versammelt. Herbert Berger, Jahrgang 1969, nennt sein Konzert für Violine und Streichorchester Metropoles Suite. Sie führt, wie er im Beiheft ausführt, durch vier Städte. Sabina Hank, Jahrgang 1976, gab ihrem Konzert für Violine solo, Streichorchester und Schlagzeug den Titel Three Songs for an Abandoned Angel. Suite, Three Songs? Die Titel führe in die Irre. Alle Stücke der CD halten sich an die viersätzige Form des überlieferten Solokonzerts. Bei Sabina Hank werden die drei „Lieder“ durch eine Kadenz ergänzt, die den dritten Satz abgibt und dem Solisten Gelegenheit liefert, sein Improvisationstalent unter Beweis zu stellen. Die Improvisation eignet ja sowohl der im 18. Jahrhundert konventionalisierten Kadenz wie eben dem Jazz.

Die dritte Komposition stammt von Friedrich Gulda. Gulda zählte zur ersten Liga der „klassischen“ Pianisten. Er war aber, sehr zum Missvergnügen seiner konservativen Verehrer, auch ein ausgewiesener Jazzpianist. Dass der Jazzklarinettist Benny Goodman Mozart gespielt hat, wurde ihm nachgesehen. Dass aber ein begnadeter Beethoven- und Bach-Interpret, oft gleich im Anschluss an jene, jazzte, das war für die Wiener ein Sakrileg. Friedrich Gulda hat auch Jazztitel komponiert und Jazzensembles unterschiedlicher Größe gegründet. Sein Konzertstück für Violine solo, Streichorchester und Schlagwerk mit dem nichtssagenden Titel Wings aber kann nur sehr bedingt als Jazz Concerto klassifiziert werden. Die ersten drei Sätze haben mit Jazz so viel zu tun wie Ravels Bolero. Erst im vierten Satz kommen zaghaft Elemente des Jazz hinzu.

Benjamin Schmid hat keine Hemmungen, in den Liner Notes eine dick aufgetragene Huldigung von Sabina Hank, deren Komposition er spielt, abzudrucken. Aus Gründen des guten Geschmacks wollen wir es dabei bewenden lassen und kein Lob hinzufügen. Zuviel ist zuviel.


Thomas Rothschild – 16. November 2023
ID 14475
https://www.benjaminschmid.com/


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