Triumph des Alts
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Bewertung:
Auf dem Gebiet der Musik gibt es zwei Gruppen, über die eine ganze Serie von Witzen existiert: die Tenöre und die Bratscher. Während die Tenor-Witze aber die unterstellte Eitelkeit der Sänger aufs Korn nehmen, sind die Bratscher-Witze meist diskriminierend und im Zeitalter der Political Correctness wohl zum Aussterben verdammt. Sie übertragen das Image eines Instruments, das im Schatten der strahlenden Violine zu stehen scheint, also die Rolle der sprichwörtlichen „zweiten Violine“ einnimmt, auf ihre Spieler, und stellen sie als dümmlich dar. Das aber ist tatsächlich ungerecht. Zwar gibt es für die Viola als Soloinstrument deutlich weniger Literatur als für die Violine, aber sie ist, beispielsweise im Streichquartett, unverzichtbar, und es bedarf für sie nicht weniger Geschick und Intelligenz als für ihre Sopran-Schwester.
Nils Mönkemeyer kann es sich leisten, über Bratscher-Witze zu lachen. Er hat sich längst als Virtuose seines Instruments durchgesetzt. In seinem Spind hängt sicher kein Zettel mit der Erinnerung: „Linke Hand: Bratsche, rechte Hand: Bogen“. Und er hat zwar zunächst das Violinspiel gelernt, aber das Instrument nicht aus Verlegenheit oder gar aus mangelndem Talent gewechselt, sondern er ist ein „echter“ Violist. Seine jüngste CD widmet sich ausschließlich italienischen Komponisten, und weil das Repertoire für die Viola, wie gesagt, begrenzt ist, hat Mönkemeyer kurzerhand Stücke, die für andere Instrumente geschrieben wurden, für die Viola bearbeitet.
Mit l'arte del Mondo unter Werner Ehrhardt, dem Gründer von Concerto Köln, hat Mönkemeyer ein kongeniales Ensemble gefunden. Es stiehlt dem Solisten nicht die Schau, liefert aber auch mehr als bloß einen breiigen Hintergrund. Es forciert die tänzerische Leichtigkeit, die den von Mönkemeyer ausgewählten Kompositionen eignet. Zwischen der Viola und dem klein besetzten Kammerorchester entwickelt sich ein Dialog von Gleichgesinnten auf Augenhöhe.
Mönkemeyer reizt die Möglichkeiten seines Instruments aus, vom rauen, brüchigen Klang bis zum schmeichelnden Dolce. Klug wie die Interpretation ist die Zusammenstellung des Programms. Die einzelnen Stücke gehen in einander über wie in einem Konzeptalbum. Zwischen zwei Concerti von Vivaldi, die ursprünglich für Fagott respektive für Violoncello gedacht waren, schaltet Mönkemeyer eine Solokadenz aus dessen Violinkonzert Il Grosso Mogul, in Paganinis Sonata per la Grand‘ Viola e Orchestra fügt er zwischen dem zweiten und dem dritten Satz, einem heiteren Thema mit Variationen, Salvatore Sciarrinos Kadenz aus Di volo, die, trotz den mehr als 113 Jahren, die die Kompositionen von einander trennen, an dieser Stelle erstaunlich logisch klingt.
Hinzu kommen, in Ersteinspielung, als Duo mit einer Gitarre, das Arpeggio in Es-Dur und die Romanza nell‘ Otello aus 6 Pezzi di Murie Ridotti per Viola Solo von Paganinis Lehrer Allesandro Rolla sowie Giuseppe Tartinis Variationen über ein schlichtes Thema von Corelli unter dem Titel L‘arte del arco. Und wem es nie hoch genug hinaus gehen kann, muss nicht verzichten. Mönkemeyer zaubert aus seinem Instrument auch die höchsten Töne heraus.
Thomas Rothschild – 5. März 2021 ID 12783
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Nils Mönkemeyer
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