Interpretations-
vergleich
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Bewertung:
Von Beethovens Symphonien liegen unzählige Aufnahmen vor. Wer sie vergleichen wollte, müsste einen längeren Urlaub dran setzen und viel Geduld sowie eine Menge Euro aufbringen. Jetzt gibt es für weniger Beflissene einen Kurzlehrgang. Er präsentiert 13 Versionen des ersten Satzes der populärsten, der 5. Symphonie auf 2 CDs.
Der auffälligste Unterschied zwischen den Auffassungen besteht im Tempo. Was unter dem Dirigat von Hans Rosbaud 8:53 Minuten und unter Otto Klemperer immerhin noch 8:09 Minuten dauert, benötigt bei Roger Norrington lediglich 6:23 und in der jüngsten Aufnahme mit dem Malmö Symphony Orchestra unter Robert Trevino knappe 6:50 Minuten: eine maximale Zeitersparnis von beachtlichen 40 Prozent. Dann treffen die Dirigenten bei den dynamischen Akzenten recht eigenwillige Entscheidungen. Manche setzen auf machtvolle Lautstärke und scharfe Kontraste, andere nehmen sich zurück und nähern Beethoven der Kammermusik an. Am stärksten aber wirkt sich die Gewichtung der einzelnen Stimmen aus. So klingt die scheinbar vertraute Komposition beim Kölner Kammerorchester unter Helmut Müller-Brühl oder beim Danish Chamber Orchestra unter Adam Fischer verblüffend anders, als man sie gewohnt ist. Was ansonsten dominiert, wird auf einmal zur Begleitung. Was steckt dahinter? Eine genaue Relektüre der Partitur? Der Wunsch, das überlieferte Beethoven-Bild zu korrigieren? Das Bedürfnis nach Originalität? Ein besserwisserischer Reformeifer wie bei manchen gegenwärtigen Theaterregisseuren?
Aus dem Rahmen fällt die Klavierbearbeitung der 5. Symphonie von Franz Liszt. Ihr erster Satz wird von Konstantin Scherbakov gespielt. Da fehlt nur noch eine Rock-Version. Davon gibt es mehrere.
Sicher ließen sich noch pointiertere, befremdlichere Interpretationen finden. Der Zusammenstellung sind Grenzen gesetzt durch die Tatsache, dass sie sich aus dem Archiv des eigenen Hauses bedienen musste.
Die dreizehnte Version, eben jene von Robert Trevino, bringt dann nicht wie die dreizehnte Fee in Dornröschen einen Fluch, sondern die Erlösung. Sie gönnt uns die ganze Symphonie. Das ist umso erfreuicher, als sie uns belehrt, dass das berühmte Ta-ta-ta-taaa, wenn es im dritten und vierten Satz zurückkehrt, seinen bedrohlichen Charakter verloren hat, in dem ein volkstümliches Verständnis das Schicksal zu hören meint, das an die Tür klopft. Wie tröstlich.
Thomas Rothschild – 11. Mai 2021 ID 12904
Naxos-Link zu
Ta-ta-ta-taaa
Post an Dr. Thomas Rothschild
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